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Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Erwiderung. Dann glitt sie vom Schemel, auf dem sie wie immer gekauert hatte, auf die Knie, überwältigt von Rührung und Dankbarkeit. Noch nie zuvor in ihrem Leben war sie solcher Großzügigkeit begegnet, noch nie zuvor solchem Edelmut. Der Herzog mochte von sich behaupten, was er wollte, für sie würde er stets der Inbegriff des Guten bleiben, ein strahlender Held.
    Tränen der Rührung traten in ihre Augen, eine Woge der Zuneigung durchströmte sie und ließ sie erschaudern. Erst dann bemerkte sie die Berührung seiner Hand.
    Unbemerkt, fast beiläufig war sie in den Ausschnitt ihres einfachen Arbeitskleides geglitten und lag nun auf ihrer Brust. Verwirrt blickte sie auf, sah die vertrauten Züge ihres Gönners, die Einsamkeit darin, die Selbstzweifel und die überstandenen Qualen – und alles, was sie empfand, war Mitgefühl.
    Langsam richtete sie sich auf und begann wortlos die Verschnürung ihres Kleides zu lösen. Sie dachte nicht über das nach, was sie tat, oder darüber, ob es richtig war oder falsch – sie tat, was sie früher so oft getan hatte. Mit dem Unterschied, dass sie es zum ersten Mal in ihrem Leben freiwillig tat.
    Die Schürze fiel, ebenso wie das Unterkleid, das wie ein Vorhang an ihr herabglitt, sodass sie völlig nackt vor ihm stand. Die Augen des Herzogs weiteten sich, während er sich an ihrer unverhüllten Schönheit weidete. Er hob die Hände und zeichnete die Konturen ihres jungen Körpers nach, ohne sie zu berühren, so als fürchtete er, sie könnte sich in Luft auflösen, sobald er ihr zu nahe kam. »Du bist schön«, murmelte er dabei immerzu. »So wunderschön …«
    Erneut ließ sie sich nieder, diesmal nicht auf dem Schemel zu seinen Füßen, sondern auf seinem Schoß, und stellte fest, dass die Augen des Herzogs offenbar nicht das Einzige waren, das an seinem gealterten Körper noch funktionierte. Mit leichtem Druck begann sie ihren Unterleib an seinem zu reiben, worauf ihm ein leises Stöhnen entfuhr.
    »Was tust du, Kind?«, flüsterte er.
    »Wollt Ihr es, Herr?«, fragte sie.
    »Ja, bei Aphrodite und allen Göttinnen der Liebe«, versicherte er. »Aber du musst mich bei meinem Namen nennen.«
    »Charles«, hauchte sie.
    Dann gab sie sich ihm hin.
    Während er in sie eindrang, konnte sie den Schatten und das dunkle Augenpaar sehen, das durch den Türspalt in das Empfangszimmer blickte.
    Manus, der seinen Herrn wie immer beobachtete.

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    7
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    Edinburgh
27. Februar 1826
    Es war ein regnerischer, nasskalter Morgen, und eigentlich hätte sich Quentin kein anderes Wetter vorstellen können angesichts des traurigen Anlasses, zu dem sie alle zusammengekommen waren.
    Die Eröffnung von Sir Walters Testament.
    Ein seltsamer Zwiespalt hatte von Quentin Besitz ergriffen. Einerseits wusste er, dass er genau zu diesem Zweck nach Schottland gereist war, dass er damit dem letzten Wunsch des Mannes nachkam, der in vieler Hinsicht wie ein Vater für ihn gewesen war; andererseits sträubte sich alles in ihm dagegen, dass das versiegelte Kuvert, das auf dem Schreibtisch des Notars lag, geöffnet wurde. Denn damit wurde Sir Walters Tod rechtskräftig, und Quentin kam es vor, als ob er seinen Onkel dadurch noch nachträglich verriet. Zumal er die Befürchtung hegte, dass die Vollstreckung des Testaments für die Familie wenig Gutes bringen würde …
    »Sind damit alle im Testament bedachten Personen versammelt?« Der Notar, Desmond Filby, ein hagerer, grauhäutiger Mann mit kleinen Augen, der so aussah, als würde er ein Leben zwischen Akten und Büchern führen und nur selten Tageslicht sehen, musterte die Anwesenden mit fragendem Blick.
    Neben Quentin und Lady Charlotte, die es sich nicht hatte nehmen lassen, persönlich zur Testamentsverlesung zu erscheinen, waren auch alle vier Kinder gekommen, außerdem James Ballantyne als Sir Walters Geschäftspartner und ältester Freund. Quentin kannte Ballantyne von früher, ein kleiner, zerbrechlich wirkender Mann, dem der Verlust seines Freundes erkennbar zugesetzt hatte. Oder vielleicht, dachte Quentin bei sich, waren es auch noch andere Sorgen, die derart tiefe Falten in Ballantynes hohe Stirn gegraben hatten …
    »Wir sind vollzählig, Mr. Filby«, entgegnete Lady Charlotte. »Mit meinem Neffen Mr. Hay sind nun alle im Testament bedachten Personen vollzählig anwesend.«
    »Gut.« Filby räusperte sich, nahm hinter seinem Schreibtisch Platz und setzte mit ungelenken Handgriffen eine Brille auf. Dann erbrach er ohne Zögern das

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