Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)
Franzosen, begeistert gelesen wurden. Doch all das hatte nicht mehr ausgereicht, um die Verluste zu decken.
»Es tut mir leid«, sagte Mary.
»Was meinst du?«
»Dass Onkel Walter dich mit dieser Aufgabe betraut hat«, erwiderte sie. »Ich kann sehen, wie du darunter leidest.«
»Ach, das ist nichts«, behauptete er zwischen zwei Löffeln Porridge und machte eine wegwerfende Handbewegung. Er hatte Angst, dass sie sich wieder sorgen könnte, nachdem er sie eben erst wieder hatte lächeln sehen.
»Und es tut mir leid, dass ich dich noch zusätzlich belaste«, fügte sie hinzu.
»Das tust du nicht«, versicherte er. Er nahm ihre Hand und hauchte einen Kuss darauf. »Es freut mich zu sehen, dass es dir besser geht, von Tag zu Tag.«
»Das tut es«, versicherte sie, »und Brighid hat daran großen Anteil. Deshalb möchte ich im Gegenzug auch etwas für sie tun.«
Er hob die Brauen. »Glaubst du nicht, wir hätten schon genug für sie getan? Immerhin habe ich eine Leumundsbürgschaft übernommen, die …«
»… und dafür ist sie uns von Herzen dankbar«, versicherte Mary. »Aber sie weiß noch immer nicht, wer sie ist, und ich denke, dass wir ihr auch dabei helfen könnten.«
»Inwiefern?«
»Gestern«, berichtete Mary, »hat sie sich für einen Augenblick erinnert.«
»Tatsächlich?« Quentins Erstaunen war echt, obwohl er müde war und sein Kopf voll anderer Gedanken. »Und woran?«
»Nun, es … es war keine wirkliche Erinnerung«, entgegnete Mary ausweichend. »Vielmehr eine Ahnung oder …«
»Wovon genau sprichst du?«, hakte er nach. »Ich fürchte, ich verstehe nicht, was du meinst.«
»Kennst du das Bild im Salon? Das neben der Tür?«
»Du meinst das von Bonnie Prince Charlie?« Er nickte. »Onkel Walter hat es von einem schottischen Patrioten gekauft, dessen Vater bei Culloden gefallen war. Er sagte immer, es würde uns daran erinnern, dass die Dinge oft nicht so sind, wie sie auf den ersten Blick erscheinen – was immer er damit gemeint haben mag.«
Mary nickte. »Brighid behauptet, den Mann auf dem Bild zu kennen.«
»Warum auch nicht? Jedes Kind in Schottland kennt ihn und weiß, was damals geschehen ist.«
»Das ist wahr«, räumte Mary ein. »Aber trotz ihres keltischen Namens ist Brighid keine Schottin, sondern Französin, soweit wir das sagen können. Und sie behauptet nicht nur, den Prinzen Charlie zu kennen, sondern sich an ihn zu erinnern .«
»Wie soll das denn gehen?« Ein wenig unwillig schüttelte Quentin den Kopf. »Soweit ich weiß, ist Charles Edward Stewart vor fast vier Jahrzehnten gestorben. Und ohne den genauen Zeitpunkt ihrer Geburt zu kennen – so alt, dass sie ihm noch zu Lebzeiten die Hände hätte schütteln können, dürfte unsere werte Brighid wohl kaum sein.«
Die Enttäuschung über seine Reaktion war Mary anzusehen. »Du bist albern«, sagte sie.
»Verzeih. Aber ich habe leider nicht die Zeit, mich um derlei Hirngespinste zu kümmern.«
»Hirngespinste? Du meinst, wie ich sie damals hatte?«
»Das lässt sich nicht vergleichen«, wehrte Quentin ab.
»Warum nicht? Als wir uns zum ersten Mal trafen, war ich nicht sehr viel anders als Brighid. Eine junge Frau, allein und entwurzelt und von Visionen geplagt. Es wäre einfach gewesen, mich als Verrückte abzutun, wie andere es taten. Aber Onkel Walter und du, ihr habt zu mir gehalten und mich damit gerettet. Nichts anderes will ich für Brighid tun.«
»Aber Brighid hat keine Visionen«, wandte Quentin ein.
»Das nicht. Aber wenn sie glaubt, Charles Stewart persönlich zu kennen, dies jedoch offenkundig unmöglich ist, so kann das nur eines bedeuten: nämlich dass sie von ihm geträumt hat. Woran sie sich erinnert, sind ganz offenbar Bilder aus einem Traum.«
»Und? Ich träume auch öfter seltsame Dinge. Das muss nichts bedeuten.«
»Das ist wahr. In meinem Fall jedoch hat es etwas bedeutet«, wandte Mary ein, »und ich denke, dass das auch bei Brighid der Fall ist.«
»Weil du es denken willst«, erwiderte Quentin überzeugt.
»Nein«, widersprach sie, »sondern weil Brighid auf eine eigenartige, fast geheimnisvolle Weise mit diesem Mann verbunden ist. Sie spricht von ihm wie von einem guten Freund, und das mit einer Überzeugung, der ich mich nicht entziehen kann – zumal ich selbst erlebt habe, wie gewaltig die Macht der Träume sein und wie viel Wahrheit sich darin verbergen kann.«
»Bitte nicht«, erwiderte Quentin und schüttelte stöhnend den Kopf. »Bitte keine Träume
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