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Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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atmen. Mary wollte ihr Schweigen endlich brechen, wollte über die Gefühle sprechen, die sie seither erfüllten und die so widersprüchlich waren, dass es ihr Angst machte, wollte sich jemandem anvertrauen. Und je mehr Zeit sie mit Brighid verbrachte, desto deutlicher wurde ihr, dass sie diejenige war, die unbekannte und doch so vertraute Freundin, die unerwartet in ihr Leben getreten war.
    Mit einem sorgfältigen Blick vergewisserte sich Mary, dass die Tür des Salons geschlossen war. Quentin und die Familie Scott waren beim Notar, die Haushälterin in der Küche. Eine Gelegenheit wie diese würde womöglich so rasch nicht wiederkommen.
    »Ich möchte dir etwas anvertrauen«, sagte Mary deshalb und fasste Brighids Hände. »Etwas, das ich zuvor noch keinem anderen Menschen erzählt habe.«
    »Mary.« Brighid erwiderte ihren offenen, fast herausfordernden Blick. »Du machst mir Angst …«
    »Dazu besteht kein Grund«, versicherte Mary. »Es ist nur … ich schleppe dieses Geheimnis wie eine Last mit mir herum, und ich habe das Gefühl, dass ich unter dieser Last zusammenbreche, wenn ich nicht jemandem davon erzähle. Und da ich glaube, dass du der rettende Engel bist, der mir geschickt wurde …«
    »Was ist los?«, fragte Brighid so leise und einfühlsam, dass Mary unwillkürlich Tränen in den Augen hatte. Sie merkte, wie sich etwas in ihrem Hals zusammenzog, würgte an den Worten wie an einer verdorbenen Speise. Niemals hätte sie geglaubt, dass es so schwer sein, dass es solch große Überwindung kosten würde. »Im vergangenen Jahr«, begann sie zögernd und voller Furcht davor, die Wunden wieder aufzureißen, »da …«
    »Mary!«
    Mit einem Schrei auf den Lippen riss sich Brighid von ihr los und sprang auf, die Augen schreckgeweitet.
    »Was ist?«
    Von Entsetzen gepackt, fuhr auch Mary herum. Halb erwartete sie, sich einem Einbrecher gegenüberzusehen – aber da war niemand. Nur ein Bild an der Wand, auf das Brighid starrte, als hätte sie ein leibhaftiges Gespenst erblickt.
    »Was … was hast du?«, fragte Mary vorsichtig und griff erneut nach ihrer Hand. »Du zitterst ja!«
    »Ich sollte es dir sagen, wenn ich mich an etwas erinnere«, erwiderte Brighid flüsternd. »An etwas aus meiner Vergangenheit.«
    »Ja«, bestätigte Mary, jähe Hoffnung schöpfend. »Was ist? Kannst du dich etwa …?«
    »Ich erinnere mich«, bestätigte sie und deutete mit der freien Hand auf das Bild, das einen Jüngling mit zarten, fast weiblich zu nennenden Gesichtszügen zeigte, der eine weiß gepuderte Perücke trug. »An diesen Mann.«
    »Was?« Mary runzelte die Stirn. »Bist du dir sicher?«
    »Absolut.« Brighid nickte. Dann erst schien sie Marys zögernde Reaktion zu bemerken. »Warum?«, fragte sie leise. »Wer ist der Mann auf dem Bild?«
    Mary ließ sich einen Moment mit der Antwort Zeit.
    »Das«, erwiderte sie dann, »ist Charles Edward Stewart, im Volksmund bekannt als Bonnie Prince Charlie. Er war der letzte Stewart, der Anspruch auf den schottischen Thron erhob – und er ist seit fast vierzig Jahren tot.«

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    8
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    Florenz
Dezember 1784
    »Nun? Ich warte noch immer! Was hast du zu all dem zu sagen?«
    Die schmalen Brauen der Duchess hatten sich drohend zusammengezogen, ihre ohnehin herben und nicht eben freundlichen Züge waren abweisend und feindselig.
    »Nichts, Herrin«, entgegnete Serena, die vor ihr stand, barfüßig und mit rußgeschwärzten Wangen, weil sie dabei gewesen war, den Herd anzuschüren. Unvermittelt war die Duchess bei ihr in der Küche erschienen, in der Begleitung von Manus, der ihr wie ein riesenhafter Schatten folgte.
    »Du hast mir nichts zu sagen?« Noch einen Augenblick lang konnte sich die Tochter des Herzogs beherrschen. Dann klatschte ihre Rechte in Serenas Gesicht, geradewegs auf ihre rußige Wange. Der Schmerz brannte heiß, dennoch verzog Serena keine Miene.
    »Ich möchte den Herzog sprechen«, sagte sie nur.
    »Oh, ja.« Der Mund der anderen verzog sich zu einem grausamen Lächeln. »Ich kann mir denken, dass du das möchtest. Aber der Herzog ist für dich nicht mehr zu sprechen – heute nicht und auch an keinem anderen Tag.«
    »Aber ich …«
    »Glaubst du, mir würde verborgen bleiben, was du getan hast?«, herrschte die Duchess sie an. »Oder was du im Schilde führst? Wie du dich an meinen Vater herangeschlichen hast wie eine Schlange und dich an ihm labst wie ein Egel, der auch noch das letzte Quäntchen Leben aus ihm heraussaugen will?«
    »Was?«

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