Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)
sowohl in gedruckter Form als auch als Flugblatt in Umlauf gebracht, das sich seither reger Nachfrage erfreut«, fuhr Bloomfield fort. »Das ist alles.«
»Und der Verfasser?«
»Ist zumindest dem Namen nach bekannt – ein gewisser …«
»Malachi Malagrowther«, vervollständigte Mary, »ich weiß. Tatsache ist aber, dass der Name Malagrowther frei erfunden ist, und zwar vom Vater dieses jungen Mannes, dem bekannten Schriftsteller Sir Walter Scott.«
»Nie gehört«, behauptete Bloomfield, was Walter merklich zusammenzucken ließ.
»Ach, wirklich«, erwiderte Mary. Woran es lag, vermochte sie nicht zu sagen, aber sie fühlte sich in diesem Augenblick wacher und lebendiger als seit undenklich langer Zeit. Vielleicht, weil es endlich wieder etwas gab, das nicht nur ihr Interesse weckte, sondern auch ihre Leidenschaft. »Sind Sie immer so ignorant?«, entfuhr es ihr.
»Werte Dame, ich muss doch sehr bitten! Wie können …«
»Verstehen Sie denn nicht?«, erstickte Walter den Protest des Redakteurs im Keim. »Mrs. Hay will damit sagen, dass der Name des Verfassers in Wirklichkeit nicht existiert. Jemand hat sich ein Pseudonym gewählt, um dieses Flugblatt in Umlauf zu bringen, und wir möchten den Grund dafür wissen. Ganz offenbar nutzt jemand den guten Ruf und die Bekanntheit meines Vaters für seine Zwecke.«
»Davon weiß ich nichts«, versicherte Bloomfield, »und ich kann Ihnen auch nicht sagen, ob Malagrowther nun der tatsächliche Name des Verfassers ist oder nur ein Pseudonym.«
»Können Sie es nicht?«, hakte Mary nach. »Oder wollen Sie es nicht?«
Bloomfield stöhnte. »Sie überschätzen meine Möglichkeiten bei Weitem, wenn Sie denken, dass ich Ihnen etwas verheimliche.«
»Sie sind zu bescheiden«, widersprach Mary. »Immerhin stehen Sie einem der größten Journale des Landes vor. Nicht von ungefähr hat unser Mr. Malagrowther – wer immer er auch sein mag – den Brief an Ihren Herausgeber geschickt. Aber Sie sollten nicht alles ungefragt hinnehmen«, fügte sie voller Überzeugung hinzu. »Die Aufgabe einer Zeitung ist es, dafür zu sorgen, dass sich der lesende Bürger eine Meinung bilden kann. Und das geht nur, wenn er umfassend informiert wird.«
»Ach ja?« Für einen Moment wirkte Bloomfield fast belustigt. »Wer hat Ihnen das denn erzählt?«
»Ein Korrespondent der New York Evening Post , auf den ich große Stücke halte«, erwiderte Mary ohne Zögern.
»Nun«, räumte Bloomfield schnaubend ein, »in den Kolonien mag es üblich sein, alles zu hinterfragen und jedermann zu misstrauen. Hier in der Alten Welt wird der Wert eines Gentleman noch nach dem bemessen, was er zu sagen hat. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich habe zu tun.«
»Das ist doch …«, wollte Walter sich erneut echauffieren, aber Mary beschwichtigte ihn, indem sie ihn sanft am Arm berührte. Ihr war klar, dass sie vom Redakteur des Weekly Journal keine weiteren Antworten mehr erhalten würden, und sie hatte noch nicht einmal das Gefühl, dass er ihnen etwas verheimlichte. Wahrscheinlich wusste er wirklich nicht mehr – und es schien ihm zu genügen. Anders als Mary.
Durch die Gläser seiner Brille, die dick wie Flaschenböden waren, starrte Bloomfield den beiden Besuchern hinterher, die ihn so unvermittelt bei seiner Arbeit überfallen hatten.
Was, in aller Welt, dachten sich diese Leute?
Wie kamen sie dazu, einen ehrbaren Zeitungsmann, dessen Tag mit Arbeit angefüllt war, von seinen Pflichten abzuhalten, noch dazu mit derart belanglosen Fragen?
Wer ist Malachi Malagrowther?
Bloomfield schüttelte unwirsch den Kopf.
»Dummes Zeug«, knurrte er und ging wieder daran, die bereits eingegangenen Berichte für die nächste Ausgabe des Journal zu sortieren – doch die Zweifel blieben.
Wer ist Malachi Malagrowther?
Wieso stürmten eine schöne Frau und ein grüner Jüngling in seine Redaktion und stellten ihm diese Frage? Hätte er sie sich nicht längst selbst stellen müssen? Und war er womöglich genau deshalb so wütend geworden?
Wieder schüttelte er den Kopf, wollte den Gedanken loswerden wie einen Kater nach einer durchzechten Nacht. Für einen Moment kam ihm noch der Gedanke, dass womöglich der Name der Druckerei, die das Flugblatt für Blackwood aufgelegt hatte, für die Besucher von Interesse hätte sein können, aber er verwarf ihn rasch wieder. Schließlich hatte er Wichtigeres zu tun.
Und ob das Ding von Ballantyne und Partner oder einer anderen Kompanie gedruckt worden
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