Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
Vom Netzwerk:
ihm losgerissen. Quentin hörte seine Schritte über den Boden davonstampfen und versuchte, sich ebenfalls aufzurichten, aber es gelang ihm nicht. Stöhnend sank er auf den Boden zurück. Sein Atem ging keuchend wie bei einem alten Gaul, in seinem Kopf dröhnte der Schmerz.
    »Alles in Ordnung?«, hörte er McCauleys besorgte Stimme über sich.
    »Warum … haben Sie nicht geschossen?«, näselte Quentin, an seinem eigenen Blut würgend.
    »Ich konnte nicht, ohne Sie zu gefährden«, entgegnete der Arzt, »aber keine Sorge, ich werde mir den Kerl schnappen.«
    Damit rannte auch er davon. Quentin sah ihn in Dunkelheit und Tränenschleiern verschwinden, jetzt unendlich froh darüber, sich nicht allein auf die Lauer gelegt zu haben. Wie ein auf den Rücken gewälzter Käfer lag er am Boden, brauchte mehrere Versuche, um sich aufzurichten, und als es ihm endlich gelang, hätte er sich am liebsten wieder niedergelegt. Er wischte sich das Blut aus dem Gesicht, verdrängte tapfer den Schmerz. Sich an der Wand abstützend, gelang es ihm, sich vollends auf die Beine zu raffen. Wankend wollte er McCauley und dem flüchtigen Einbrecher hinterher, stürzte in die angrenzende Waffenkammer, wo sich Rüstungen und Wappenschilde reihten – als er hinter sich ein weiteres Geräusch wahrnahm, das eindeutig aus der Bibliothek kam.
    Wie angewurzelt blieb Quentin stehen.
    Was, wenn es nicht einer, sondern zwei Eindringlinge waren?
    Die Vorstellung entsetzte ihn, ein Schauder rann über seinen Rücken – umso mehr, als in diesem Moment in der Bibliothek das Licht anging.
    Fieberhaft überlegte Quentin, was er tun sollte. Warten, bis McCauley zurückgekehrt war? Laut um Hilfe rufen?
    In beiden Fällen würde ihm der Eindringling wohl entwischen. Also blieb ihm nur, den Einbrecher selbst und auf frischer Tat zu ertappen.
    Schwerfällig wankte er zu dem herrenlos am Boden liegenden Knüppel und hob ihn auf. Dann schlich er auf den Türspalt zu. Tatsächlich schien sich jemand in der Bibliothek aufzuhalten, huschte hin und her …
    Quentin packte den Knüppel fester, mit dem Handrücken wischte er sich das Blut aus dem Gesicht. Er erreichte die Tür, konnte hören, wie sich drinnen jemand zu schaffen machte.
    Quentin atmete tief ein.
    Ihm war klar, dass dies der Moment war, in dem er vieles wiedergutmachen konnte. Er wollte endlich wissen, wer die geheimnisvollen Beobachter waren, wollte Klarheit darüber, wer es ganz offenbar auf Sir Walters Vermächtnis abgesehen hatte. Beherzt drückte er die Klinke nieder und stieß die Tür auf, platzte mit erhobenem Knüppel in den ehrwürdigen, von Gaslicht hell erleuchteten Saal – um einen überraschten Schrei auszustoßen.
    Denn vor ihm stand kein anderer als Sir Walter Scott.



----
    1
----
      
  
    Quentin wusste nicht zu sagen, ob er noch auf den Beinen stand oder wieder am Boden lag, ob es Tag war oder Nacht, ob die Welt sich aufgehört hatte zu drehen oder ob sie dort draußen außerhalb der Mauern von Abbotsford noch immer existierte.
    »O-Onkel«, war alles, was er hervorbrachte. Seine Verwirrung war vollständig, sein Verstand hatte ausgesetzt. Er konnte sich keinen Reim auf das machen, was er doch mit eigenen Augen sah. »Bist du es wirklich?«
    Sir Walter lächelte – mit jenem milden und zugleich tadelnden Lächeln, mit dem er ihn auch früher oft bedacht hatte. »Dünke ich dir wie ein Geist, mein guter Junge?«
    Er war es.
    Es war seine Stimme, ruhig und Respekt gebietend.
    Seine Gestalt, gebeugt von den Jahren, dennoch stattlich.
    Seine Gesichtszüge, gealtert, aber unverkennbar.
    Vor allem aber seine Präsenz, die diesen Raum sehr viel heller erstrahlen ließ als der Schein des Gaslichts.
    »N-nein«, gab Quentin zu, obwohl es genau das war, was er im ersten Moment vermutet hatte: dass die unsterbliche Seele seines Onkels sich nicht von Abbotsford hatte lösen können und nun an den Ort ihres weltlichen Wirkens zurückgekehrt war. Denn selbst das wäre ihm noch wahrscheinlicher vorgekommen, als dass er seinem Onkel jemals wieder leibhaftig und tatsächlich begegnen könnte …
    »Mach den Mund wieder zu, Junge. Ich bin es wirklich.«
    »Bist es wirklich«, echote Quentin.
    Und im nächsten Moment konnte er nicht anders, als auf seinen Onkel zuzustürzen und ihn zu umarmen, so, wie er es zuletzt vor vier Jahren getan hatte, bei ihrer Verabschiedung im Hafen von Leith. Und genau wie damals erwiderte Sir Walter die Umarmung nach kurzem Zögern, auch wenn es sich für

Weitere Kostenlose Bücher