Das Vermächtnis der Schwerter
werde ich Befehl geben, den Hafen morgen bei Sonnenaufgang wieder zu öffnen, oder hat jemand etwas dagegen?« Sein Blick wanderte fragend zu Rai und Kawrin hinüber.
»Was ist denn mit Arton?«, erkundigte sich Rai. »Sollten wir seine Meinung nicht auch hören? Wo ist er überhaupt? Er müsste doch eigentlich schon gestern in der Festung eingetroffen sein.«
»Ja, das ist er auch«, bestätigte Erbukas, wobei er unwillig die Nase rümpfte. »Gleich nach seiner Ankunft betrat Arton den Tempel, und als er wieder herauskam, verschwand er ohne ein Wort in den Übungsräumen unter der Kaserne. Dort wütete er die halbe Nacht wie von Sinnen, sodass wegen des Lärms keiner in dem Gebäude ein Auge zumachen konnte. Es wagte aber auch niemand, nachzusehen, was er dort treibt. Irgendwann zog er sich dann in sein Quartier zurück und dieses hat er bislang nicht mehr verlassen. Die Leute in der Burg reden schon über ihn, sie glauben, das viele Kämpfen hätte ihm den Verstand geraubt, manche vermuten auch, das schwarze Schwert, das er seit der Festungseroberung trägt, hätte auf magischem Wege Besitz von ihm ergriffen. Es wird sogar von Dämonen- und Hexenwerk gemunkelt, kurzum, den Leuten ist Artons Verhalten ziemlich unheimlich und ich muss gestehen, mir ist er auch nicht ganz geheuer.«
»Ich habe schon immer gesagt, dass man sich vor diesem Kerl hüten muss«, pflichtete ihm Kawrin mit grimmiger Miene bei. »Arton ist gefährlich, es ist nur eine Frage der Zeit, bis er einen Anlass findet, sich gegen uns zu wenden.«
»Jetzt mal langsam«, meldete sich Rai alarmiert von diesen geradezu feindseligen Äußerungen zu Wort. »Ihr wisst doch überhaupt nicht, was vorgefallen ist! Vielleicht gibt es ja einen guten Grund, warum er sich so verhält.«
»Ich glaube kaum, dass sich ein vernünftiger Grund dafür finden lässt, wenn jemand wie ein Berserker die Kasernenräume verwüstet«, widersprach Kawrin bissig. »Das ist schon einzig und allein auf den ganz speziellen Charakter unseres geschätzten Schwertkämpfers zurückzuführen.«
Irritiert wandte sich Rai an Erbukas. »Hat sich mal einer die Mühe gemacht, nach Arton zu sehen?«
»Wie gesagt«, antwortete dieser mit einem Schulterzucken, »bisher war noch niemand, mich eingeschlossen, bereit, das Risiko einzugehen und dem narbengesichtigen Wüterich gegenüberzutreten. Warum auch? Die Dinge laufen mittlerweile auch ohne ihn. Die Arbeitermiliz ist bestens eingespielt, die Wachablösungen funktionieren, ohne dass ich das noch anordnen oder kontrollieren muss, selbst der Küchendienst wird abwechselnd von verschiedenen Arbeitern übernommen. Bisher ist es ihnen trotz der schwindenden Vorräte gelungen, immer alle satt zu bekommen. Allerdings wird sich das Ernährungsproblem in den kommenden Tagen sicherlich zunehmend verschärfen, wenn nicht Nachschub an Vorräten eintrifft. Das ist übrigens auch etwas, um das wir uns unbedingt kümmern müssen.«
»Jaja«, seufzte Barat, »aber morgen ist auch noch ein Tag. Ich würde vorschlagen, wir lassen Arton einfach in Frieden, der wird sich schon wieder beruhigen. Und alles Weitere besprechen wir morgen. Oder ist noch was Dringendes?«
»Nun ja«, erwiderte Erbukas nach kurzem Überlegen, »wir sollten bald einmal beschließen, was mit den Gefangenen geschehen soll. Der Festungskommandant Garlan und mehr als drei Dutzend seiner Männer sowie eine Handvoll Citpriester sitzen noch immer in den Zellen unter dem Tempel und warten seit Tagen darauf, zu erfahren, was mit ihnen geschehen wird.«
Barat stöhnte. »Richtig! Die Ereignisse haben sich dermaßen überstürzt, dass ich unsere Gefangenen ganz vergessen habe. Wir müssen sie natürlich freilassen, am besten gleich morgen, wenn die Sperrkette gesenkt wird. Mir wäre es zwar wesentlich lieber, wenn zumindest ein Teil von ihnen auf der Insel bliebe, aber zwingen will ich sie nicht.« Barat schwieg für einen Moment und rieb sich nachdenklich das Kinn. »Vielleicht spreche ich noch einmal mit dem Kommandanten. Mal sehen, ob er wirklich so großes Verlangen verspürt, in die Hauptstadt zurückzukehren, um dem König den Verlust der Erzminen von Andobras zu beichten.«
»Dann ist da ja auch noch dieser Ferrag«, stellte Erbukas fest, »der in seinem Haus unter Bewachung steht. Das wird auf Dauer nicht so bleiben können, denn dort, am anderen Ende der Stadt, sind unsere Männer sehr angreifbar.«
»Der gute Ferrag«, knurrte Barat. »Am liebsten würde ich diese schmierige
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