Das Vermächtnis der Schwerter
sollte sie das den Ecorimkämpfern erklären? Am liebsten hätte Shyrali die vier einfach in ihren unbequemen Verstecken gelassen, aber natürlich konnte sie ihnen das nicht zumuten, weil darin wahrscheinlich langsam die Luft zum Atmen knapp wurde. Es ließ sich nicht vermeiden, dass sie die Ecorimkämpfer befreite, und somit würde unweigerlich der Moment kommen, in dem sie nach dem Grund für die verschlossene Tür befragt werden würde. Ein wenig machte sie sich dabei auch Sorgen um ihre eigene Sicherheit, denn schließlich wäre sie dann mit den vermutlich sehr zornigen Schwertfechtern allein in diesem Lagerraum. Sie vermochte sich zwar ihrer Haut durchaus zu erwehren, aber gegen vier ausgebildete Krieger wollte sie dann doch lieber nicht antreten müssen. Demnach hatte sie lediglich die Wahl, es mit der unangenehmen Wahrheit zu versuchen und anschließend auf ihre Wirkung in der Rolle der hinreißend reumütigen Büßerin zu setzen oder aber noch eine weitere Schicht Lügen auf die bereits bestehenden aufzutragen. Nach kurzem Überlegen entschied sie sich für Letzteres. Die Wahrheit war einfach zu gefährlich.
Also machte sie sich schweren Herzens daran, die Deckel der Fässer zu öffnen und den reichlich mitgenommenen Ecorimkämpfern beim Herausklettern zu helfen. Als sie alle wieder auf den Füßen waren, ihre Gliedmaßen gestreckt und ausreichend über den beengten Transport gemeckert hatten, stellte sich Shyrali mit einem zuckersüßen Lächeln vor die vier hin und erklärte:
»Willkommen auf Kapitän Tabuks Schiff. Bevor ihr euch wundert, warum die Tür des Laderaums verschlossen ist, in dem wir uns gerade befinden, möchte ich euch lieber gleich sagen, dass das nur zu unser aller Sicherheit geschieht. Falls sich einer von Megas’ Leuten nach hier unten verirren sollte, dann wird er nur eine verriegelte Tür vorfinden.«
»Du hast doch gesagt, hier würde uns keiner von Megas’ Soldaten suchen«, erwiderte Meatril, dessen Misstrauen sofort geweckt war.
»Nun ja«, bemühte sich Shyrali um eine schlüssige Begründung, »es ist sehr unwahrscheinlich, aber der Kapitän wollte eben ganz sichergehen.«
»Und wieso haben sie dich dann gleich mit eingesperrt?«, erkundigte sich Targ ebenso argwöhnisch. »Nach dir sucht doch niemand. Sollst du uns etwa in diesem dunklen Laderaum Gesellschaft leisten, damit uns die Zeit nicht lang wird?«
»Ihr werdet lachen«, antwortete Shyrali, der mittlerweile die kreativen Einfälle ausgingen, »aber genauso ist es.«
Das lief überhaupt nicht gut, dachte sie betroffen. So dilettantisch hatte sie nicht mehr gelogen, seit sie fünf war.
»Kapitän Tabuk wünscht«, versuchte sie es weiter, »dass ihr diese Maßnahme nicht missversteht, und deshalb hat er mich gebeten, euch die Sache zu erklären. Er wird selbst mit euch sprechen, sobald es sicher genug ist.«
»Oder er nutzt die Zeit, um seinen Herrn Megas zu informieren«, ergänzte Targ bissig. Er kam bedrohlich auf die junge Frau zu. »Dass dich dieser Josh Tabuk bei uns gelassen hat, könnte zwar bedeuten, dass er dich ohne dein Wissen benutzt hat, um uns hier herzulocken, es wäre aber auch möglich, dass du sehr wohl Bescheid wusstest und dein Hier sein einfach dazu dient, uns in Sicherheit zu wiegen.« Er zog sein Schwert. »Also heraus mit der Sprache, was hat der Kapitän vor?«
Shyrali wich unwillkürlich ein paar Schritte zurück, jedoch stand sie alsbald mit dem Rücken zur Wand und konnte nicht mehr weiter. »Langsam, nur nichts übereilen«, versuchte sie zu beschwichtigen, »ihr zieht da ein paar völlig falsche Schlüsse. Alles ist genau so, wie ich es gesagt habe. Der Kapitän würde Megas niemals auf diese Weise in die Hände spielen. Er hasst und verachtet ihn.« Sie hoffte inständig, dass dies ausnahmsweise tatsächlich der Wahrheit entsprach, denn sonst steckte sie und mit ihr die Ecorimkämpfer in erheblichen Schwierigkeiten. Falls Tabuk nämlich wider Erwarten loyal zu seinem Herrn stand, dann würden mit großer Wahrscheinlichkeit tatsächlich bald Megas’ Truppen hier erschienen. »Wozu hätte ich denn sonst den Aufwand getrieben, euch hierherzubringen?«, gab sie zu bedenken, allerdings mehr, um ihren eigenen aufkommenden Zweifeln zu widersprechen. »Es hätte doch genügt, einen Trupp Soldaten zu der Gaststube zu schicken, in der ihr gewartet habt.«
»Vielleicht war ihm das zu unsicher«, warf Meatril ein, der ebenfalls mit grimmiger Miene näher getreten war, seine Waffe aber nicht
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