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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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hielten, einfach beiseite schob.
    »Herrin!«, rief dieser und verbeugte sich in Richtung der Fürstin.
    »Die neue Amme des Prinzen kennt ein Mittel, um die Krankheit des Thronfolgers zu heilen, und daher habe ich sie hierher gebracht.«
    Andrej hoffte inbrünstig, dass sein Vertrauen in Marija nicht vergebens war. Fürst Dimitri würde ihm sonst den Becher der Bitternis füllen und bis zur Neige austrinken lassen.
    Die Fürstin entspannte sich ein wenig, denn innerlich war sie bereit, mit dem Teufel, den der Pope ständig beschwor, zu paktieren, um ihren Sohn zu retten. »Die Sklavin soll eine Heilerin sein?«
    »Sie kennt die Kräuter, die dem Kind gut tun, und hat sie vorhin im Wald gesucht, während andere« – sein Blick streifte dabei die Kindsmagd – »in der Ecke saßen und Piroggen gegessen haben.«
    »Bring sie herein!« In ihrer Aufregung vergaß Anastasia ganz, dass nur ihr Beichtvater ohne die ausdrückliche Erlaubnis des Fürsten ihr Schlafgemach betreten durfte.
    Andrej wahrte jedoch die Sitte, indem er auf der Schwelle ihres Gemachs stehen blieb und Marie nach vorne schob. Leise wünschte er ihr Glück. »Wir werden es beide brauchen können! Wenn es schief geht, bekommst du die Peitsche zu spüren und mich wird Dimitri mit einer beleidigenden Botschaft an die Tatarenkhane oder gar zu Großfürst Wassili in Moskau schicken. Die sind schnell mit einem Todesurteil bei der Hand.«
    Es war gut, dass Marie ihn nicht verstand, denn sonst hätte sie sich unsicher gezeigt und das Vertrauen der Fürstin sofort verspielt. So aber stellte sie ihren Tee auf ein Tischchen, nahm der Kindsmagd, die sie anstarrte, als wäre sie eben aus der Latrine gestiegen, den Prinzen aus den Armen und löste mit geschickten Händen die Binden und Wickel, die seinen Körper zusammenschnürten. Ihre Nase sagte ihr bereits, was ihre Augen ihr bewiesen: Wladimir war an diesem Tag noch kein einziges Mal frisch gewickelt worden. Sein Hintern war beschmutzt und wund, undfrühere Ausscheidungen bildeten eine feste Kruste auf seiner Haut.
    Marie fuhr herum und hielt die Windel der Kindsmagd so nahe vors Gesicht, dass diese zurückprallte. »So verrichtest du deinen Dienst am Sohn der Herrin, du faule Schlampe? Da ist es kein Wunder, dass der Kleine krank werden muss. Man sollte dir diesen Dreck um die Ohren schlagen, bis der Stoff in Fetzen hängt.« Sie warf der Magd das schmutzige Ding vor die Füße und forderte dann Alika auf, Lisa Andrej zu übergeben und ihr Wasser und frische Tücher zu bringen.
    Bevor Andrej sich versah, hielt er das Kleinkind auf dem Arm und sah verblüfft, wie die Mohrin die Kammer verließ. Alika kam bald wieder zurück und half Marie, den Prinzen zu säubern und frisch zu wickeln. Die Fürstin und Pantelej starrten die Mohrin dabei an, als wollten sie sie eigenhändig dafür erwürgen, dass sie es gewagt hatte, ihnen unter die Augen zu treten, doch die Sorge um den Prinzen hinderte sie daran. Unterdessen nahm Marie ihren Heiltrank und begann ihn dem Jungen mithilfe des zu einem Docht gedrehten Tuchs einzuflößen. Wladimir verzog das Gesicht und spuckte zunächst, saugte dann aber an der Flüssigkeit und hörte fast schlagartig auf zu schreien. Als Marie ihre Brust entblößte und ihm eine der Milch spendenden Warzen bot, nuckelte er sogar ein wenig daran. Wenig später ließ er sich ohne Protest in seine Wiege betten und war eingeschlafen, ehe Marie ihn zudecken konnte. Den Geräuschen nach, die er von sich gab, schien er von schönen Dingen zu träumen.
    »Das war Hexerei!«, kreischte die Kindsmagd und machte das Zeichen gegen den bösen Blick.
    »Das waren ein paar Kräuter, du Närrin, die dir jeder Arzt hätte nennen können. Und jetzt halte den Mund, oder willst du, dass der Thronfolger aufwacht?« Andrej sprach mit gemäßigter Stimme, aber scharf genug, um die Magd zum Schweigen zu bringen.
    »Bist du dir sicher, Andrej Grigorijewitsch, dass diese Frau dort keine Hexenkünste angewandt hat?«, fragte Pantelej vorwurfsvoll, denn das, was sich da unter seinen Augen abgespielt hatte, passte nicht in sein Weltbild.
    »Vollkommen sicher! Ich war dabei, wie sie die Kräuter gesammelt hat, und sie kann sie gelehrten Männern nennen. Außerdem habe ich ihr über die Schulter geschaut, als sie den Tee zubereitet hat. Hexerei war da gewiss nicht im Spiel.«
    Der Priester hatte Andrej bisher für einen vorlauten Bengel gehalten, der seinen Fürsten zu Kindereien aufstachelte. Nun aber nickte er, als hätte er

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