Das Vermächtnis der Wanderhure
und der übrige Hofstaat in dieser Zeit unter der Laune des Fürsten würden leiden müssen, und schüttelte sich.
Halb aus Neugier, halb aus dem Wunsch heraus, die geheimnisvolle Frau zu überwachen, folgte er Marie bis in die Herbergsküche und erwirkte für sie die Erlaubnis, eines der Herdfeuer und eine Pfanne zu benutzen. Interessiert sah er zu, wie sie die gesammelten Kräuter dörrte und einen Tee daraus zubereitete. Sie ließ den Aufguss ziehen und bat mit Andrejs Hilfe die Köchin, die wohl die Frau des Wirts war, um ein sauberes Tuch und einen Becher, den sie sorgfältig spülte und mit der nun grünlich braunen, stark riechenden Flüssigkeit füllte.
Dann wandte sie sich an Andrej. »Könnt Ihr mich zu Fürstin Anastasia führen, Herr?«
Andrej verstand den Namen, und da es um den kleinen Prinzen ging, war ihm klar, was die Fremde von ihm wollte. »Komm mit!«Alika, die Lisa übernommen hatte, damit Marie hatte arbeiten können, folgte ihnen so hastig, als hätte sie Angst, von Marie getrennt und wieder ausgepeitscht zu werden. Andrej bemerkte, wie geschickt die Mohrin mit der Kleinen umging, und verglich sie in Gedanken mit Darja, diesem Trampel von Magd, der man die Pflege des kleinen Prinzen übertragen hatte. Bei Gott, dachte er, wenn Wladimir von einer solch aufmerksamen Kindsmagd versorgt würde, wären seine Aussichten ungleich höher, die kritischen Jahre zu überstehen.
III.
E rschöpft von der Fahrt unter dem heißen Verdeck des Reisewagens hatte die Fürstin sich ein wenig zur Ruhe gelegt. Aber sie konnte nicht schlafen, denn im Nebenzimmer schrie ihr Sohn sich beinahe die kleine Lunge aus dem Leib. Nach einer Weile erhob sie sich, rieb sich mit den Fingerspitzen über die schmerzenden Schläfen und sah ihre Leibdienerin vorwurfsvoll an. »Was hat Wladimir denn nur?«
»Er wollte vorhin nicht trinken. Die Kindsmagd sagt, die Ketzerin hat den kleinen Prinzen verhext!«
Die Fürstin schauderte bei diesen Worten, raffte sich aber rasch wieder auf. »Ich will meinen Sohn auf der Stelle sehen!«
»Sehr wohl, Herrin!« Die Dienerin lief in die Nachbarkammer und kehrte kurz darauf mit der Kindsmagd zurück, die das weinende Kind auf dem Arm trug und vergeblich versuchte, es zu beruhigen.
Voller Angst kniete sich das Mädchen vor Anastasia auf den Boden. »Ich weiß mir nicht mehr zu helfen, Herrin. Eurem Sohn geht es viel schlechter! Die Milch der Ketzerin hat ihn krank werden lassen.«
»Das habe ich vorausgesagt!« Der Beichtvater des Fürstenpaarswar auf die Unruhe im Frauentrakt aufmerksam geworden und eingetreten, ohne sich anmelden zu lassen.
Auf Anastasia wirkte er wie ein Mann, der es genoss, dass seine Prophezeiung sich zu bewahrheiten schien. Erschrocken starrte sie ihn an. »Bete für meinen Sohn, ehrwürdiger Vater!«
»Ich werde tun, was ich kann. Aber ich fürchte, Gott wird sich des Kindes nicht mehr erbarmen, denn es ist nun von dem Gift der Häretikerin durchdrungen.« Man konnte Pantelej ansehen, dass er überzeugt war, der Thronerbe läge bereits im Sterben, und nun fürchtete, man würde ihm die Mitschuld an seinem Tod geben.
Er bemerkte, dass er zu viel gesagt hatte, denn die Maske dienender Demut fiel von der Fürstin ab, und ihr Gesicht erstarrte in einem Ausdruck ungezügelter Wut. »Du schmähst Gott, Pope! Wie kann die Milch einer Ketzerin mächtiger sein als der allerheiligste Wille unseres Herrn. Bete zum ihm und zu allen Heiligen, dass mein Sohn gesund wird!«
Der Kirchenmann kroch unter den scharfen Worten in sich zusammen. Noch schützte ihn sein Amt vor dem Zorn der Fürstin, doch wenn die Griechin zu der Ansicht kam, er hätte es an der notwendigen Inbrunst fehlen lassen, und dies ihrem Gemahl einflüsterte, war ihm die Peitsche oder gar Schlimmeres sicher. Vielleicht würde man ihm vorwerfen, er wäre selbst mit jenen im Bund, die dem Kind Übles wollten, um die Thronfolge des fürstlichen Bruders Jaroslaw herbeizuführen. Der Henker von Worosansk hatte sein Handwerk bei den Tataren gelernt, und die wussten, wie man einen Menschen grausam zu Tode brachte.
Pantelej spürte, dass Anastasia ihren Zorn an ihm auslassen wollte, und atmete erleichtert auf, denn in diesem Augenblick erhob sich Andrejs Stimme vor der Tür. Der junge Edelmann, der meist nur Unfug im Kopf hatte, war ein geeigneteres Opfer für die Fürstin. Daher öffnete er schnell die Tür, so dass auch Anastasia sehen konnte, wie Andrej die beiden Krieger, die vor der Gangtür Wache
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