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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Anblick, dass Marie andächtig neben ihnen stehen blieb. Dann erinnerte sie sich an Anastasias Worte, dass die beiden Kinder nicht wie Geschwister aufwachsen dürften, und verzog verärgert das Gesicht. Auch wenn Lisa nicht ihre Tochter, sondern die ihrer Todfeindin war, hatte sie es in erster Linie der Kleinen zu verdanken, dass ihr Lebensmut im stinkenden Bauch der Geit nicht gebrochen worden war. Mittlerweile war Lisa ihr ans Herz gewachsen, als sei sie ihr eigenes Kind, und sie war nicht bereit, das Mädchen Wladimir gegenüber zurückzusetzen.
    Alika spürte, dass Marie über etwas Unangenehmes nachdachte, und zupfte sie am Ärmel. »Du hast Ärger?«
    Marie winkte ab. »Es ist nicht der Rede wert. Wir müssen in Zukunft schauen, dass der Sohn der Fürstin bessere Windeln bekommt als unsere Kleine, und sie darf wohl auch nicht mehr mit ihm in der Wiege liegen – obwohl er dann ruhiger schläft. Aber wir werden sie genauso gut versorgen wie bisher.«
    Als hätte Lisa die Worte vernommen, öffnete sie die Augen und sah Marie an. Dabei bewegte sie ihren Mund, als wolle sie saugen. Marie verstand die stumme Aufforderung und entblößte ihre Brust. Eigentlich hätte Anastasias Sohn Vorrang haben müssen, doch aus Trotz nährte Marie die Kleine als Erste.
    »Soll ich in die Küche gehen und Brei machen?«, fragte Alika, da die beiden Kinder von Marie bereits an festere Nahrung gewöhnt wurden als nur an Muttermilch.
    »Tu das, aber verrate auf keinen Fall, für wen der Brei ist. DieMägde sollen weiterhin glauben, er sei für uns. Wenn es auf die Frauen hier ankäme, müsste der kleine Prinz noch ganz von Muttermilch leben. Sie würden uns beschimpfen und bei Anastasia verleumden, wenn sie wüssten, dass er auch schon festere Nahrung bekommt.«
    »Die Fürstin würde dich auspeitschen lassen!« Alika traute Anastasia alles Üble zu und versprach Marie, vorsichtig zu sein. Während sie die Kammer verließ, entzog Marie der Kleinen die Brust und nahm Wladimir in die Arme. Es war keinen Augenblick zu früh, denn die Tür sprang auf, und die Fürstin trat herein. Bei dem Anblick, der sich ihr bot, nickte Anastasia zufrieden. Marie hatte Lisa auf ihr eigenes Bett gelegt, so dass die Wiege des Thronfolgers leer war, und die Kleine tat ihrer Pflegemutter nun auch noch den Gefallen, so zu greinen, als hätte sie Hunger.
    Trotzdem kam es fast zu einer Katastrophe, denn Alika erschien mit einem Topf und hätte vor Schreck beinahe den Inhalt über der Fürstin ausgegossen. Nur mit Mühe gelang es ihr, zumindest äußerlich das Gleichgewicht wiederzufinden.
    Anastasia drehte sich zu ihr um und musterte den Brei in dem dampfenden Gefäß. »Was ist das?«
    Marie schluckte, so leicht würde sie der Fürstin nicht weismachen können, dass der Brei für sie selbst war. Wenn sie dann doch beim Füttern der Kinder ertappt wurde, würde Anastasia die Peitsche über ihren Rücken tanzen lassen. Daher beschloss sie, so nahe an der Wahrheit zu bleiben, wie es ihr möglich war.
    »Der Brei ist für Lisa. Da Wladimir größer wird, braucht er mehr Milch, und deswegen muss meine Tochter anders ernährt werden. Von Ziegenmilch allein wird sie nämlich krank.«
    Die Fürstin antwortete mit einem Nicken. »Du machst deine Sache gut, Amme. Ich werde dich bei Gelegenheit belohnen. Doch nun muss ich weiter ins Bad. Meine Leibmagd wird später die Salbe holen, welche die Lust des Fürsten erhöht. Er soll so zufrieden sein, dass er möglichst jede Nacht zu mir kommt.«
    Ohne ihrem Sohn mehr als einen prüfenden Blick zu schenken, drehte sie sich um und rauschte hinaus. Als die Tür sich hinter ihr geschlossen hatte, streckte Alika ihr die Zunge heraus. »Der Fürst stellt keine besonderen Ansprüche. Hauptsache, er kann seinen Nagel, wie du sein Ding genannt hast, in das nächste weibliche Wesen stoßen. Ich glaube, er würde auch eine Ziege oder Kuh nicht verschonen.«
    Obwohl es bereits eine Sünde darstellte, an so etwas Abstoßendes zu denken, musste Marie bei dieser Vorstellung kichern. Dann rief sie sich zur Ordnung und wies auf den Brei. »Du solltest jetzt Lisa füttern, bevor wieder jemand hereinkommt. Ich lehne mich derweil mit dem Rücken gegen die Tür.«
    Im selben Augenblick trat Gelja ein. »Die Fürstin ist wohl hier gewesen, um nachzusehen, ob du ihren Sohn nicht vernachlässigst? Aber nun setz dich, damit ich dir die Haare flechten kann.« Marie blies ärgerlich die Luft aus der Nase. Musste die Magd ausgerechnet jetzt kommen?

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