Das Vermächtnis der Wanderhure
ungeborenes Kind suchen.
Oda verkrampfte die Finger, als wolle sie jemanden erwürgen.
»Du bist wohl auch an Schäfflein geraten, diesen elenden Halunken? Bekäme ich diesen Kerl in die Finger, würde ich ihn von unseren Tataren in kleine Stücke schneiden lassen, und zwar ganz langsam, so dass er noch etliche Tage bereuen könnte, was er mir angetan hat.«
In ihrer Stimme schwang ein Hass, der in Marie die halb verschütteten Gefühle für Hulda von Hettenheim weckte. Sie unterdrückte einen eigenen Ausbruch und schüttelte den Kopf. »Nein, mit Schäfflein hatte ich nichts mehr zu schaffen. Mich hat eine persönliche Freundin in diese Weltgegend verschleppen lassen. Nun suche ich nach Wegen, die mich zurück nach Hause bringen.«
»Ich wünsche dir, dass es dir gelingt. Bei Gott, wie habe ich mich in der ersten Zeit danach gesehnt, wieder auf meinem Kutschbock zu sitzen und mit einem ehrlichen deutschen Heer zu ziehen. Inzwischen habe ich mich mit meinem Schicksal abgefunden. Es ist auf jeden Fall besser als das, das Schäfflein mir zugedacht hat. Komm, setzen wir uns in meine Kammer und schwätzen ein wenig. Um deine Begleiterinnen sollen sich meine Stieftöchter und die Dienerinnen kümmern.«
Zu Maries Verwunderung schien Oda ihren früheren Zwist völlig vergessen zu haben. Sie wies die anderen Frauen an, sich Anastasias und ihrer Begleiterinnen anzunehmen, und führte Marie in einen hübsch eingerichteten Raum, in dem ein breites Bett nach deutscher Machart, ein Tisch, zwei Stühle und eine bemalte Truhe standen.
Oda wies mit dem Kinn auf das Bett. »Der gute Terbent hat ein weiches Lager zu schätzen gelernt. Früher hat er seine Weiber wie ein Tier auf dem Fußboden genommen. Auch ich musste ein paarmal so herhalten. Aber nicht auf Dauer, habe ich mir gesagt und dafür gesorgt, dass ein russischer Sklave mir dieses Möbel und auch die restliche Einrichtung angefertigt hat.«
»Du bist die Gemahlin des Herrschers?« Marie war verwundert,denn Oda war eine bessere Hure gewesen, aber keine von denen, die ein Mann von Stand angefasst hätte.
»Zuerst war ich nur eine Sklavin. Als ich nach Pskow gebracht wurde, weilte Terbent zufällig in der Stadt, und da ihm mein Haar so gut gefiel, hat er mich samt meinem Jungen gekauft.« Odas Gesicht nahm für einen Augenblick einen düsteren Ausdruck an, der sich aber rasch wieder verlor.
»Du weißt ja, dass ich nicht gerade auf den Kopf gefallen bin. Es ist mir gelungen, mich Terbent angenehm zu machen, und als er angebissen hatte, habe ich daran gearbeitet, an die Spitze seines Harems zu kommen. Es war nicht ganz einfach, aber ich habe es geschafft. Dabei ist mir zugute gekommen, dass seine frühere Lieblingsfrau ihm im letzten Jahr die vierte Tochter geboren hat. Da ich schon einen Jungen habe, hofft er nun, von mir einen Sohn zu bekommen. Die Kräuterfrau hier im Ordu, eine wirre alte Hexe, hat behauptet, ich besäße alle Eigenschaften, Söhne zu gebären, und das stärkt meine Stellung natürlich. In drei Monaten ist es so weit. Wird es ein Junge, sitze ich hier so fest im Sattel, als hätte ein Pfaffe mich Terbent angetraut.«
Marie konnte innerlich nur den Kopf schütteln, gleichzeitig bewunderte sie Oda wegen ihrer unglaublichen Geschicklichkeit, aus jeder Lage das Beste zu machen. Die Frau schien damit zufrieden zu sein, als Beischläferin eines Heiden, verglichen mit ihrem früheren Dasein, in einem gewissen Wohlstand zu leben. Dennoch sehnte sie sich nach einem Menschen, mit dem sie in ihrer Muttersprache reden und dem sie ihr Herz ausschütten konnte. Sie berichtete Marie, dass Schäfflein sie bei ihrer Ankunft in Worms freundlich empfangen hatte. Doch nach einem halben Monat musste sie in ein kleines Häuschen in einen Vorort umziehen, damit in der Stadt selbst kein Gerede entstand.
»Dort habe ich meinen Egon zur Welt gebracht. Damals habe ich mir eingebildet, von da an auf Rosen gebettet zu sein, denn Schäfflein hat mir den Himmel auf Erden versprochen. Aber diesesSchwein hat mich eingelullt, um mich ruhig zu halten. Angeblich wollte er mich und den Jungen an einen Ort bringen, an dem wir in sicheren Verhältnissen leben könnten. Ich dumme Kuh habe ihm geglaubt und bin dann hart aus meinem Wolkenkuckucksheim herausgefallen. Der Prahm, auf dem wir reisen sollten, war ein Sklavenschiff und gehörte einem elenden Franzosen namens Labadaire! Dieser schmierige Schuft hat mich ein paarmal in seine Kabine holen lassen, und dort musste ich Dinge tun,
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