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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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hart genug, um Mariele aufDauer zu zeichnen.« Die Worte galten Theres, die sich neugierig vorbeugte und sichtlich erleichtert aufschnupfte.
    »Gereon ist wirklich ein braver Kerl. Ein anderer hätte das wahrscheinlich nicht gewagt, denn er hätte dafür selbst die Peitsche bekommen können.«
    »Bei einem anderen Herrn wahrscheinlich ja, aber nicht bei unserem.« Zum ersten Mal seit Wochen sprach Eva wieder mit Sympathie von Michel. Offenbar hatte der Burgherr alles getan, um die Strafe für Mariele so gering wie möglich ausfallen zu lassen.
    »Komm mit uns, Kleines. Jetzt verarzten wir dich erst einmal, und dann holen wir deine Kleider. Michel hat uns ein wunderschönes Häuschen in Spatzenhausen zuteilen lassen. Dort werden wir uns wohler fühlen als in diesem Gemäuer.«
    »Ich will Trudi nicht allein lassen. Wenn wir die Burg verlassen, hat sie niemand mehr.« Mariele blickte die alte Marketenderin verzweifelt an. Sie wollte ihre geliebte Trudi nicht Schwanhilds gehässiger Magd überlassen.
    »Wir werden schon einen Weg finden, es unserem Sonnenschein gut ergehen zu lassen, aber jetzt müssen wir uns erst einmal um dich kümmern.« Eva schob Mariele auf den Anbau zu, in der die Küche untergebracht war. Deren Herrscherin war ihre Freundin und hatte zudem die Aufsicht über all die Kräuter und Salben, die einem Menschen nach ihrer Ansicht besser zu helfen vermochten als die Kunst der gelehrten Mediziner aus den umliegenden Städten.
    Während die beiden Marketenderinnen Mariele versorgten, stand Junker Ingold noch immer wie erstarrt auf dem Hof. Aus Wortfetzen, die an sein Ohr drangen, hörte er heraus, dass die Leute ans Frühstück dachten. Ihm wurde bereits bei dem Gedanken an Essen übel, und er wusste, dass er sich nicht zu den anderen setzen konnte, als wäre nichts geschehen.
    Für kurze Zeit schloss er die Augenlider und hörte das Blut in seinen Ohren hämmern. »Oh Herr, was habe ich getan!«
    Beim Klang der eigenen Stimme riss er die Augen wieder auf und sah erschrocken um sich. Zu seiner Erleichterung war niemand mehr in seiner Nähe, der den Ausruf hätte hören können, dennoch machte er sich Vorwürfe, weil er so unvorsichtig gewesen war. Er hatte das Himmelreich verloren, um Schwanhild zu schützen, und dieses Opfer durfte nicht vergebens sein. Doch das Bewusstsein, einen Meineid begangen zu haben, schnürte ihm die Kehle zu. Er musste einen Menschen finden, bei dem er sich aussprechen konnte. Wie in Trance lenkte er den Schritt zum Palas, um Schwanhild aufzusuchen, wie er es in letzter Zeit so oft getan hatte. Ihr Lächeln und ihre kühle, zärtliche Hand auf seiner Stirn würden seine Verzweiflung lindern.
    Vor der Freitreppe blieb er stehen, als sei er gegen die Wand gelaufen. Was er jetzt tun wollte, war nicht mehr möglich, damit würde er Schwanhild zur Komplizin seines falschen Eides machen und wahrscheinlich sogar den Verdacht erwecken, mit ihr im Bunde zu sein. Nein, diese Bürde musste er alleine tragen. Er fragte sich verzweifelt, wie es ihm gelingen sollte, vor den anderen den Anschein eines zufriedenen und in seinem Rechtsempfinden gestärkten Mannes zu erwecken. Zumindest für ein paar Stunden musste er die Burg verlassen, deren Mauern ihm schier den Atem nahmen.
    Mit einer heftigen Bewegung drehte er sich um und eilte zu den Ställen. »Sattle meinen Hengst!«, herrschte er den einsamen Stallknecht an, der gerade ein Fohlen tränkte, dessen Mutter vor der Zeit die Milch verloren hatte.
    »Ich komme ja schon.« Der Knecht stellte brummig den Eimer beiseite und streichelte den Kopf des Fohlens, das enttäuscht über den Entzug der warmen Milch die Nüstern hochzog. Nicht lange, da stand Ingolds Pferd bereit, und der Knecht kehrte zu dem Pflegling zurück, ohne den Junker eines zweiten Blickes zu würdigen.
    Früher hatte der Mann das eine oder andere Scherzwort mit ihmgewechselt, seine stumme Verachtung führte Ingold deutlich vor Augen, dass Marieles Bestrafung das Vertrauen der Leute in ihn zerstört hatte. Dem Burgherrn würden sie gewiss nichts nachtragen, denn dieser hatte nach seinem Schwur nicht anders handeln können.
    Wie von Furien getrieben, schwang Ingold sich in den Sattel und preschte los. Der Wächter musste den Torflügel schnell aufreißen, sonst hätten Reiter und Pferd sich den Hals gebrochen. Der Junker achtete nicht auf die Flüche, die der Reisige ausstieß, sondern trieb seinen Hengst den steil abfallenden Weg hinab und ließ ihn dann einfach laufen. Das Tier

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