Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
Vom Netzwerk:
turnten Egon, Lisa und Wladimir um den Ladebaum herum, während mehrere Schiffer, deren Arbeit mit der Ankunft in Venedig getan war, auf sie aufpassten.
    Das Schiff fuhr in einen der zahlreichen Kanäle ein und legte schließlich bei einem Haus an, das zwar groß, aber wenig beeindruckend wirkte. In seiner Wand befand sich ein breites Tor, das nun geöffnet wurde. Einige Männer traten hinaus und warfen den Matrosen Seile zu, mit denen die Galeere an den vor dem Gebäude liegenden Kai, der gleichzeitig die vordere Grundmauer des Gebäudes bildete, gezogen und festgebunden wurde.
    Ein Mann, dessen Kleidung einfach geschnitten und in unauffälligen Farben gehalten war, aber aus guten Stoffen bestand, stieg an Bord und redete hastig und mit tadelndem Unterton auf den Kapitän ein. Marie verstand zwar nicht, was er sagte, konnte sichaber denken, um was es ging: nämlich um die Zeit, die das Schiff verloren hatte, als es Pantelej nach Athos brachte.
    Der Kapitän wies auf seine Passagiere und nannte mehrmals den Namen Konstantinos Dragestes, um seine Handlungsweise zu rechtfertigen. Der Kaufmann schien seine Begründung zu akzeptieren und kam jetzt auf Andrej zu, den er auf Griechisch einlud, Gast in seinem Haus zu sein.
    Marie wollte die Gelegenheit nutzen und sprach den Venezianer an. »Verzeiht Herr, wir wollen schon bald nach Norden weiterreisen. Wir wären Euch dankbar, wenn Ihr uns dabei behilflich sein könntet.« In ihrer Aufregung benützte sie ihre Muttersprache.
    Der Kaufherr verzog sein Gesicht und musterte sie und die anderen, als wolle er in das Innerste der unverhofften Besucher blicken. »Eine Reise nach Germania ist teuer, Signora.« Sein Deutsch war schlechter als sein Griechisch, aber verständlich.
    Marie lächelte, denn sie besaß noch immer das Geld, das sie bei der Flucht aus Worosansk aus der Truhe der Haushofmeisterin genommen hatte. Es handelte sich um fremde Münzen, die sie erst umtauschen musste, doch in ihren Augen sollte es nicht nur für die Reise nach Hause reichen, sondern auch einen Grundstock für Anastasia und Andrej bilden.
    »Wir sind nicht ohne Mittel, mein Herr. Hier in Venedig leben doch Landsleute von mir. Es würde genügen, wenn Ihr uns diesen empfehlen könntet.«
    Der Venezianer nickte. Mit dem einen oder anderen deutschen Kaufmann im Fondaco dei Tedeschi zu reden kostete ihn nichts, und er würde seine ungebetenen Gäste auf diese Weise schneller loswerden.
    »Ich werde mit meinen Handelspartnern sprechen und jemanden suchen, der Euch behilflich sein kann, Signora. Nun entschuldigt mich, denn ich habe zu tun.« Der Venezianer nickteMarie kurz zu und winkte dem Kapitän, ihm in den Laderaum der Galeere zu folgen.
    Andrej kam neugierig auf Marie zu und wies auf den Kaufherrn.
    »Was hast du mit dem Mann besprochen?«
    »Ich habe ihn gebeten, uns bei der Reise in meine Heimat behilflich zu sein, und wie es aussieht, erweist er uns den Gefallen.«
    Da nun Diener auftauchten, um ihr Gepäck von Bord zu bringen und die Matrosen diesen auch die Kinder reichten, verließ Marie das Schiff und betrat über eine schmale Planke das Haus, das sie so schnell wie möglich wieder zu verlassen gedachte.

XIV.
     
    E s war Hochsommer und die Kanäle der Stadt stanken zum Himmel. Andrej litt am meisten unter der Geruchsbelästigung, zumindest behauptete er das und war der Meinung, man müsse wohl hier geboren sein, um diese Luft atmen zu können. Nicht nur zu seinem Glück währte der Aufenthalt in Venedig kurz, denn ein Handelszug von Nürnberger und Augsburger Kaufleuten bot der Gruppe die Möglichkeit, sich ihnen anzuschließen. Die Fuhrknechte und Wagenwächter benützten eine derbe Sprache und machten ihre Späße über die kleine Gesellschaft, die aus einem Mann, vier Frauen und vier Kindern bestand. Während ihrer Zeit als wandernde Hure hatte Marie oft den Schutz von Handelszügen gesucht und wusste, wie sie die Kerle behandeln musste. Ein Scherz zur rechten Zeit und ein Dank für den Krug Wein, der ihnen gereicht wurde, ließ das Eis rasch schmelzen. Als dann Andrej einen Burschen, der sich Anastasia gegenüber unehrerbietig benahm, mit einem einzigen Faustschlag zu Boden streckte, gewann auch er die Achtung der Männer, die Kraft und Mut zu schätzen wussten, zumal der Russe sich nicht scheute zuzupacken, wenn Not am Manne war.
    Marie und ihre Begleiter hätten auch wie Edelleute reisen und als solche auftreten können. Dann aber wären sie gezwungen gewesen, auf Burgen und in

Weitere Kostenlose Bücher