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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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lief er hinter ihm her und fing ihn gerade noch ab, bevor das magere Männlein in den Bauch der Kogge steigen konnte.
    »Goeden Dag!«, grüßte er ihn und dränge ihn allein schon mit der Wucht seiner Erscheinung in Richtung Achterkastell. »Einen Schluck Wein werdet Ihr mir gewiss nicht abschlagen wollen«, setzte er lachend hinzu.
    Der Schreiber konnte sich zumeist nur das Bier leisten, das hier gebraut wurde, und leckte sich unbewusst die Lippen. »Einen Becher vielleicht. Ich habe nämlich noch viel zu tun. Eure Geit ist nur eines der Schiffe, die ich heute aufsuchen muss.«
    »Aber ja! Meine Laderäume sind fast leer und werden Euch nicht lange aufhalten. Pieter, bring einen Stuhl und Wein.« Letzteres galt einem Matrosen, der offensichtlich schon vor der Tür gewartethatte und das Gewünschte gleich mitbrachte. Wie ein geübter Schankknecht stellte er je einen Becher vor den Schreiber und seinen Kapitän und füllte die Gefäße bis fast zum Rand.
    »Auf Euer Wohl!« Zoetewijn trank seinem Besucher zu und legte ihm dann die Frachtlisten vor.
    »Zwei Sklavinnen sind leider unterwegs verstorben. Wir mussten sie über Bord werfen.«
    Der Hafenschreiber beugte sich über die Liste und kniff die Augen zusammen. »Das habt Ihr aber noch nicht vermerkt, Kapitän.«
    »Nein?« Zoetewijn zog dem anderen scheinbar erstaunt die Liste unter der Nase weg und blickte darauf. »Tatsächlich, das habe ich vergessen. Ich werde es sofort nachholen. Wisst Ihr, mir geht es wie Euch. Die Arbeit ist einfach zu viel und man kommt nicht mehr nach. Noch einen Schluck Wein gefällig?«
    Der andere überlegte kurz, denn der Wein, den Zoetewijn ihm hatte einschenken lassen, war wirklich süffig. Dann dachte er daran, dass sich die Kapitäne auf den anderen Schiffen, die er kontrollieren musste, ebenfalls nicht lumpen lassen würden, und schüttelte den Kopf. »Lieber nicht. Ich muss noch meine Zahlen lesen können.« Er trank aus und erklärte, dass er nun die Ladung besichtigen wolle.
    Der Kapitän nickte und führte ihn durch die Laderäume. Einige der Ballen und Fässer trugen Siegel, die anzeigten, dass sie auf Bestellung geliefert wurden. Der Schreiber verzog das Gesicht, denn eigentlich hätten auch diese im Rigaer Stapelhof zum Verkauf ausgestellt werden müssen. Doch da die Güter zum guten Teil für hohe Ordensleute in Kurland und Semgallen gedacht waren und deren Untergebenen ausgehändigt werden mussten, ließ er diesen Verstoß durchgehen. Die Stadt Riga stand nicht gerade im besten Einvernehmen mit den Rittern des Deutschen Ordens, und gerade deswegen musste man jede Provokation der streitbaren Herren vermeiden. Also beschloss der Schreiber, sich mit dem üblichen Hafenzoll zufrieden zu geben. Auch die russischenFürsten, für die die restlichen Waren bestimmt waren, durften nicht verärgert werden, und so forderte er Zoetewijn für deren Waren ebenfalls nur eine kleine Summe ab, die dieser auch sofort beglich.
    Zuletzt kamen sie zu den Sklaven, die wieder an Bord gebracht worden waren, und hier begnügte der Schreiber sich damit, sie zu zählen. »Eure Liste stimmt, bis eben auf die beiden unterwegs verstorbenen Weiber. Aber da Ihr sie noch nicht als tot eingetragen habt, muss ich leider Zoll für sie verlangen.«
    Zoetewijn sah dem Schreiber an der Nasenspitze an, dass das Geld in dessen Taschen landen würde, und lachte in sich hinein. Wie es aussah, musste er den Kerl nicht einmal bestechen, damit er über gewisse Unregelmäßigkeiten hinwegsah. So bemaß er die Summe, die er dem Schreiber gab, großzügig genug, um den Mann zufrieden zu stellen, und führte ihn dann von Bord. Als er wieder auf sein Schiff zurückkehrte, zwinkerte er dem Maat zu.
    »Du kannst die Schwarze und diese angebliche Rittersfrau wieder zu den anderen Sklaven schaffen. Ach ja, schenk ihnen einen Becher Bier dafür ein, dass sie stillgehalten haben. Dann schau nach, wie viel von den Waren, die wir in den Stapelhof haben schaffen lassen, Interessenten gefunden haben. Die kleineren Geschäfte kannst du selbst abschließen und bei den größeren gib mir Bescheid. Ich will so bald wie möglich weiter. Das hier …«, er klopfte auf den Warenstapel mit dem Siegel der Stadt Pskow, »… hat mich auf eine Idee gebracht.«

V.
     
    A us den Gesprächen der Matrosen, die sich bei der Essenausgabe miteinander unterhielten, erfuhr Marie, dass sie sich im Hafen der Stadt Riga befanden, von dem die sechs Huren gesprochen hatten. Diese Stadt musste schon nahe

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