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Das Vermaechtnis des Caravaggio

Das Vermaechtnis des Caravaggio

Titel: Das Vermaechtnis des Caravaggio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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gefunden. Sie war böse auf ihn gewesen und hatte nicht mit ihm reden
wollen, als er sie vor dem Hinterausgang des Palazzo Borghese abgepasst hatte.
Sichtbar zerknirscht über sein schlechtes Benehmen und mit vielen Beteuerungen,
dass er sie nicht vergessen habe, hatte er Julia abgetrotzt, sie auf ihrem Weg
begleiten zu dürfen. Jetzt lief er neben ihr her, was sich bei den
Menschenansammlungen in den Gassen schwierig gestaltete, und versuchte, sie für
ihn und sein Anliegen zu interessieren.
    „Hat er wirklich so ... so
ausschweifend gelebt, wie man sagt?“
    Enrico, der innerlich über die
etwas naive Frage lächelte, setze eine gewichtige Miene auf und beteuerte im
wärmsten Ton.
    „Schlimmer. Man darf das eigentlich
nicht erzählen, vor allem nicht in Gegenwart von Damen!“
    Julia kicherte, als würden die
Schellen zur Wandlung geschlagen, hell und flirrend. Über die Schulter sah sie
ihm nach und schien sich darüber zu amüsieren, wie er hinter ihr her stolperte.
    „Damen! Ihr seid mir einer.
Komplimente macht Ihr wie ein Fürst. Man könnte glauben, Ihr seid selbst von
Adel. “
    Sein Lächeln geriet ihm etwas
schief. Mit zwei schnellen Schritten holt er auf und drängte sich neben sie.
    „Wohin geht Ihr?“
    Sie trug ein unter der Brust eng
geschnürtes Kleid, und jetzt zog sie aus ihrem Mieder einen kleinen weißen
Umschlag, schwenkte ihn ein paarmal vor seinen Augen und steckte ihn zurück in
den Ausschnitt. Wieder klingelte ihr Lachen, das ihn an die Liturgie erinnerte
und unsicher machte.
    „Heute bin ich Botin.“
    „Botin?“
    „Ich muss zu Kardinal Del Monte.
Mein Herr, Scipione Borghese, wünscht, ich soll dem Kardinal einen Brief
übergeben.“ Kurz blieb sie stehen, näherte sich seinem Ohr und flüsterte: „Er
enthält das päpstliche Siegel! Ich habe es gesehen, als Scipione den Brief
verschlossen hat.“ Kurz fasste sie sich an den Mund. „Das hätte ich, glaube
ich, nicht verraten dürfen!“
    Enrico war sofort hellwach. Ein
Brief des Papstes an Kardinal Del Monte! Was enthielt er? Nur eine der üblichen
Mitteilungen oder vielleicht eine Information, die seinem Herrn Ferdinando
Gonzaga nützlich sein konnte?
    „Ich werde schweigen wie ein Grab!“,
beeilte er sich zu versichern, konnte aber nicht anders, als sich über diesen
Umstand zu wundern. Schließlich gehörte Del Monte nicht zur endlosen Zahl
unbedeutender Mandatsträger. Ihm unterstand die päpstliche Bauhütte und er
zeichnete zuständig für alle Kunst, die in Rom im Namen des Heiligen Vaters
öffentlich ausgestellt wurde. Del Monte war eine Autorität, die man nicht nur
danach behandelte, sondern die auch erwartete, dass sie ihrem Stand und Ruf
entsprechend behandelt wurde. Jetzt sah es aber so aus, als würde der Papst an
den mächtigen Kardinal Del Monte einen Brief richten, und Scipione Borghese
ließ das Schreiben von einer Küchenmagd an diesen weiterreichen.
    Warum nahm er nicht einen der
jungen Kleriker in die Pflicht, die das Haus bevölkerten, seit Scipione zum
Kardinal ernannt worden war?
    Eine Zeit lang liefen sie wortlos
nebeneinander her. Vorbei an unzähligen Bettlern, die, von der Papstwahl in die
Stadt gelockt, jetzt auf Almosen des höchsten Vertreters der Christenheit
warteten, strebten sie durch das Vallicella, das kleine Tal, in Richtung
Quirinal.
    „Warum hat er dich für diese
außerordentlich verantwortungsvolle Arbeit ausgewählt, Julia?“, versuchte er zu
sondieren und biss sich sofort auf die Lippen für sein Ungeschick.
    „Glaubt Ihr, ich schaffe es nicht,
einen lächerlichen Brief zu übergeben?“, fauchte sie ihn an. Die Helligkeit in
ihrer Stimme war sofort einem dunklen Ton gewichen. Er klang rau und abweisend.
„Für solche wichtigen Angelegenheiten sind Frauen zu sehr Plaudertaschen. Das
denkt Ihr doch. Aber ich könnte Euch sagen ...“
    Julia stockte. Sie drehte den Kopf
beiseite und beschleunigte wieder ihr Tempo. Kaum dass Enrico mit ihr Schritt
halten konnte, so geschickt schlängelte sie sich durch die Menschenmenge, und
es hatte den Anschein, als machten die Menschen vor ihr ganz von selbst Platz,
während er sich beinahe gewalttätig durch die Menge hindurchzwängen musste. Je
näher sie der Via Papalis kamen, der Straße für die päpstlichen
Prozessionszüge, desto lauter wurde es, desto intensiver roch es nach Esel und
Brot, nach Wein und Fisch, nach Brackwasser und Kot, desto mehr Gesindel
sammelte sich auf der Straße. Enrico bemerkte, dass ihnen viele der

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