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Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
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werden und gemeinsam mit ihm lachen. Andernfalls wird sich nichts ändern. Unser Meister Ong Pa sagt, dass er lieber über zwei Feinde richte als zwei Freunde habe.« Īsā lachte. »Denn wenn er das Urteil gesprochen hat, wird einer der beiden mit Sicherheit sein Freund werden.«
    Langsam wanderte Gua Lis Blick zwischen Ferruccio und dem Kardinal hin und her, und sie verzog ihre Lippen zu diesem geheimnisvollen Lächeln, das Meister Leonardo so sehr beeindruckt hatte, dass er es in einem weiblichen Porträt verewigt hatte. Doch Giovanni drehte nur wortlos seinen Kopf zu Silvio Passerini und fragte ihn stumm, ob er ihn wirklich liebe oder ob es nur um Interessen ging. Der Novize verstand, kniete vor ihm nieder und küsste leidenschaftlich seinen Ring.
    Am fünften Sonntag im Oktober hatte de’ Medicis Unruhe ihren Höhepunkt erreicht. Sein Mittagsschlaf wurde durch einen lauten Knall geweckt. Ärgerlich warf er Silvio aus dem Bett, damit er nachsähe, woher der Lärm kam.
    Als Silvio in de’ Medicis Schlafgemach zurückkehrte, berichtete er, dass der Engel des Herrn, also der, der auf der Engelsburg stand, Flügel bekommen habe, zu Boden gestürzt sei und dabei alles zerschlagen habe. So jedenfalls erzählten es die Augenzeugen. Als sein Beschützer ihn ungläubig anstarrte, entgegnete der junge Novize beleidigt, dass de’ Medici es sich auch gerne selbst ansehen könne, sollte er ihm keinen Glauben schenken. Silvio erzählte auch, dass sich bereits viele auf den Weg gemacht hätten, um ein Stück des gefallenen Engels zu ergattern – einige wollten die Teile für ihre eigene Sammlung, andere, um die Trophäen zu versilbern.
    Der gefallene Engel ging de’ Medici nicht mehr aus dem Kopf. Was hatte er mit der wunderschönen Frau und ihrer Geschichte zu tun? Die Gedanken kreisten wirr in seinem Kopf. Und dann fällte er eine Entscheidung – um seinen Seelenfrieden wiederzufinden: Basta, er hatte genug von Gua Li gehört. Er hatte sie gewogen, bewertet und für gut befunden – und nun war der Moment gekommen zu handeln.

32
    Rom, Palazzo Colonna,
29. Oktober 1497
    »Lieber Freund, ich muss das Buch haben, lasst es Euch aushändigen.«
    »Welches Buch?«
    »Habt Acht, de Mola, leugnen bringt Euch gar nichts. Das Buch von Īsā – ich will es haben.«
    Kardinal de’ Medici hatte Gua Li unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass er an diesem Tag nicht erschienen sei, um ihr zuzuhören, und gab Ferruccio einen Wink, näher zu kommen. Mit Freundlichkeit wäre es vielleicht einfacher gewesen, aber die Eile gebot eine härtere Gangart – immerhin waren Silvio und Carnesecchi bei ihm.
    »Ihr hingegen solltet achtgeben, Monsignore, oder ich kann nicht mehr für mich garantieren. Meiner Person gegenüber habt Ihr nie ein Buch erwähnt, das weiß ich genau. Ich weiß nicht, worüber Ihr sprecht. Ihr habt mich lediglich nach einer Kopie der Thesen von Graf Mirandola gefragt. Und ich werde sie Euch übergeben, sobald ich Leonora wiederhabe, das schwöre ich. Aber treibt bitte keine Spielchen mit mir. Vielleicht bin ich auch wahnsinnig, mag sein, aber vergesst nicht, dass ein Wahnsinniger gefährlicher ist als ein Bösewicht.«
    Beide starrten einander an und versuchten, eine vermeintliche Lüge in den Augen des anderen zu erkennen. Instinktiv hatte Ferruccio nach seinem Dolch gegriffen, der zwischen seinen Beinkleidern und dem Wams steckte. Augenblicklich zückte Silvio sein Kurzschwert und stieß es Ferruccio zwischen die Rippen – wenigstens ein paar Zentimeter, weiter kam er nicht: Das Handgelenk des jungen Novizen wurde von Ada Tas präzisem Stockschlag zertrümmert. Als der Orientale mit einem nächsten Schlag seinen Nacken und dann die Nieren traf, wurde Silvio ohnmächtig und sank – von Ada Ta aufgefangen – wie leblos zu Boden.
    »Die Hände sind wie Zwillingsschmetterlinge, die sich teilen, den Baum berühren und davonfliegen.« Ada Ta neigte seinen Kopf zur Seite. »Bittet diesen jungen Mann um Verzeihung, wenn er wieder bei sich ist – aber es war notwendig. So wie die blinde Ehefrau zu Boden geworfen werden muss, weil sie den drohenden Abgrund nicht sieht, auf den sie zuläuft. Und den anderen Ritter«, fuhr Ada Ta fort, ohne sich zu Carnesecchi umzudrehen, »bitte ich, wie das edle Yak zu atmen, wenn es das Yarsagumba wiederkäut, den Stab der Glückseligkeit, der Frieden und Kraft in den Lenden verspricht.«
    »Und wie atmet das edle Yak?«, fragte Carnesecchi, der keinerlei Anstalten machte, auch

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