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Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
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dass sie dir nicht den Arm abgehackt haben dafür.«
    Aruj Reis ließ seine Muskeln spielen, und die Hüften einer nackten Frau begannen auf seinem Arm zu tanzen.
    »Sie leistet mir in meinen einsamen Matrosennächten Gesellschaft. Und wenn sie tanzt, dann erinnere ich mich an Allah, der nicht nur stinkende Kumpane erschaffen hat, sondern auch das Weib. Es wäre schlimmer, der anderen Versuchung anheimzufallen, findest du nicht auch?«
    Sein dröhnendes Gelächter hallte über den Ankerplatz, und hastig begannen die Färber, ihre Waren einzupacken. An diesem Tag würden sie vorsorglich in ihren Werkstätten bleiben.
    »Was willst du, Osman?«, fragt Aruj Reis wieder ernst. »Dass ich noch eine Ladung Ratten organisiere?«
    »Nein, nicht mehr.«
    »Dann ist es also ernster, als ich dachte.«
    Er kratzte sich am Bart und zerquetschte eine Laus.
    »Sprich mit deinem Bruder: Ich brauche eine Überfahrt bis nach Istanbul. Für zwei Personen … eine Frau kommt mit mir.«
    Wie der Hammer eines Ambosses sauste Arujs Hand auf seine Schultern.
    »Eine Frau! Der alte Osman! Nun verstehe ich. Aber … in Istanbul wirst du in Gefahr sein, die Fatwa kennt keine Gnade.«
    »Ich werde zu Bayezid gehen und mich unter seinen Schutz begeben.«
    Aruj Reis schaute Osman an, als wäre er bereits tot und in ein Leichentuch gehüllt.
    »Ich weiß nicht, was du vorhast, doch mein Bruder wird dir helfen. Damit habe ich meine Schuld bei dir beglichen. Sollten wir uns wiedersehen, kann ich nicht mehr für dein Leben garantieren.«
    »Wir werden uns nicht wiedersehen, Bruder. Wo und wann?«
    »Am zweiten Dienstag des nächsten Monats. Er wird mit einer Ladung Felle im alten Flottenhafen in Ravenna ankern.«
    »Nicht in Venedig?«
    »Zu viele Soldaten aus der Hauptstadt. Außerdem liegt Ravenna näher.«
    Osman nickte mehrmals.
    »Gut dann. Khayr wird einen Tag auf dich warten, nicht länger. Die Lagune ist voller Briganten, und außerdem wechselt Venedig ständig die Zollmeister, und es ist nicht gesagt, dass er alle bezahlt hat.«
    Osman entfernte sich zufrieden. Alles würde gut werden. Allah würde ihn erhören – das schuldete er ihm. Nun konnte er die letzten Erzählungen Gua Lis genießen; die Episoden kennenlernen, die er verpasst hatte, und erneut diejenigen anhören, die ihm am liebsten waren. Als er den Einkauf im Kloster abgeliefert hatte, bat er Mutter Ludovica, Leonoras Zelle betreten zu dürfen. Seine Bitte wurde ihm gewährt.
    Leonora ging es immer besser, der Junge gedieh, und sein errechneter Geburtstermin kam immer näher. Die Nonnen nannten ihn Lazarus, den Auferstandenen, doch Leonora hatte sich mit Ferruccio beraten und sich für einen anderen Namen entschieden. Doch mit der Taufe ihres Sohnes wollten sie noch warten, bis sie endgültig genesen war.
    Osman blieb in der Tür stehen und wartete, bis ihm Gua Li ein Zeichen gab, näher zu kommen. Er setzte sich neben die Matte, auf der Gua Li nächtens neben Leonora kauerte und sie umsorgte.
    »Osman, hast du das Kind gesehen?« Leonora zeigte auf das Körbchen neben ihrem Bett. »Ist er nicht wunderschön? Sag es seinem Vater jedes Mal, wenn du ihn siehst. Ich habe so wenige Gelegenheiten, ihn zu sehen. Und sag ihm, dass sein Sohn wie ein kleiner Buddha aussieht.« Sie lachte.
    »Dann wird er ihm bestimmt gefallen«, gab Osman lächelnd zurück. »Nicht wahr, Gua Li?«
    »Das stimmt. Manchmal lächelt er wirklich wie ein Erleuchteter.«
    »Und wenn er weint, meine Schwester?«
    »Dann ahnt er wahrscheinlich, wie lange er noch leben muss, bis er sich erneut mit dem Licht vereinigen darf.« Sie streichelte dem Baby über die Wangen. »So viel, wie er weint, wird er ein langes Leben haben.«
    »Osman wollte deinen Erzählungen lauschen – und das tut auch mir und dem Kind gut. Was erzählst du uns heute, Gua Li?«
    Die junge Frau versuchte zu lächeln, doch sie konnte ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Die besorgte Stimme Leonoras verstärkte ihre Traurigkeit jedoch noch zusätzlich.
    »Es ist nichts Schlimmes. Es ist nur, dass ich seit einigen Tagen nicht mehr von Ada Ta träume«, flüsterte sie und sah Leonora an. »Schade, dass du ihn nicht kennengelernt hast.«
    »Das tut auch mir leid, Gua Li. Und nun leg dich neben mich. Du hast dich die ganze Zeit wie eine Mutter um mich gekümmert. Jetzt lass dich von mir in den Armen halten.«
    Die sechste Stunde ging vorbei, und als die neunte schlug, erschien eine Nonne mit dampfender Hühnersuppe, Brot und Käse. Leonora

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