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Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
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muss nur eine Biene sein, um sie zu verstehen.«
    »Ich glaube, ich muss ausführlich mit Euch konferieren«, antwortete Ferruccio. »Ich habe die Aufgabe, Euch zu beschützen.«
    »Ich hingegen befürchte, wenn Ihr lange mit mir konferiert, wird es Euch bald lästig werden. Außer Ihr erfreut Euch an dem Gefasel eines alten Mannes – der Euch sehr zu Dank verpflichtet ist, wenn Ihr uns tatsächlich beschützen werdet. Ihr werdet unser Schirm sein, der das Heiligste für Hongzhi war. Er war der Weiseste unter den Kaisern, weil er nur ein einziges Weib zur Frau nahm, während im Buch der Könige geschrieben steht, dass Salomon siebenhundert Frauen hatte. Das zeugt nicht eben von seiner Weisheit. Was denkt Ihr darüber?«
    »Ich befürchte, ich verstehe Euch nicht, mein Herr, mein Schutz …«
    »Wenn Ihr uns vor der menschlichen Unwissenheit, der Bosheit und der Anmaßung beschützt, werden wir Euch dankbar sein wie der Bauer, dem für seine Aussaat Schutz vor dem Unwetter gegeben wird.«
    »Nach wie vor verstehe ich Euch nicht«, erwiderte Ferruccio, dessen Halsschlagadern jetzt vor Anspannung hervortraten. »Ich wäre Euch überaus verbunden, wenn Ihr klare Worte für mich finden würdet.«
    »Ich sehe, Ihr werdet ungehalten. Ich hatte Euch jedoch gewarnt, mit einem Alten konferieren zu wollen. Ich rate Euch daher, Eure Aufmerksamkeit dieser schönen Bergblume zu widmen. Euer Geist, Eure Ohren und Eure Augen werden Euch dankbar für diesen Rat sein, und bei ihr werdet Ihr keine Erklärungen mehr brauchen.«
    »Obwohl niemand mir sagte, dass Euch eine Frau begleitet, werde ich das gerne tun.«
    »Das ist nicht ganz richtig. Ich bin es, der sie begleitet.«
    Ferruccio blieben vor Ärger die Worte im Hals stecken. Er ballte die Fäuste und biss die Zähne zusammen. Er musste ruhig Blut bewahren, denn er hatte eine Aufgabe, von deren Erfüllung das Leben Leonoras abhing. Also holte er tief Luft und beschloss, der Ironie des Alten, dem es Spaß zu machen schien, ihn zu ärgern, ganz ruhig zu begegnen, als die junge Frau ihm zuvorkam.
    »Verstört Euch die Tatsache, dass ich eine Frau bin?« Gua Lis Tonfall war freundlich, aber bestimmt. »Haltet Ihr es für verachtenswert, oder bin ich für Euch ein minderes Wesen ohne Seele? Oder habt Ihr womöglich einen anderen, vielleicht sogar einen bestimmten Grund, mich zu hassen?«
    »Meine Dame, wenn es auf der Welt etwas Edles gibt, dann ist es das weibliche Wesen, und wenn Ihr meinen Glauben daran kennen würdet, wärt Ihr überrascht.«
    »Gua Li, der edle Ritter spielt auf die Große Mutter an«, warf Ada Ta ein, »deren Existenz Mirandola vermutete.«
    Ferruccio lief ein Schauer über den Rücken, und er warf dem Mönch einen scharfen Blick zu. Instinktiv legte er seine Hand an die Seite, an der normalerweise sein Schwert hing, das er jedoch vorher dem Wachposten übergeben hatte. Dieser Mönch kannte die Thesen von Giovanni Pico, obwohl sie nie verbreitet worden waren. Nur wenige kannten deren Inhalt. Und viele waren, wie der Prächtige oder Innozenz VIII. und leider auch der Verfasser selbst, auf natürliche oder unnatürliche Weise ums Leben gekommen. Wenn der Kardinal de’ Medici und Alexander VI. jeweils ein Exemplar besaßen und Ferruccio das Original hütete, wer konnte dem Orientalen dann den Inhalt des Buches verraten haben? An dieser Frage glaubte Ferruccio fast zu ersticken.
    »Was wisst Ihr über die Große Mutter ?«, fragte er mit gepresster Stimme.
    »Nun, das war die erste Überraschung, die sich in unserem Verstand ihren Weg bahnte«, sagte Ada Ta. »Unser aller Mutter hat so viele Namen wie Kinder. Anna Purna , Göttin des Überflusses oder Maha Kali , Gayatri , Mammitum oder dort, wo die Menschen mit der dunklen Haut leben: Nut. Dort, wo das Meer gefriert, wird sie Nidhogg genannt – ich weiß nicht, ob ich ihren Namen richtig aussprach, und hoffe, sie damit nicht beleidigt zu haben.«
    »Ich bin mir sicher, dass sie es nicht ist«, antwortete Ferruccio kurz angebunden. »Wie ich sehe, kennt Ihr mich gut, ganz im Gegensatz zu mir, der ich nichts über Euch weiß. Außerdem habt Ihr mir immer noch nicht geantwortet.«
    Von draußen drang ein unterdrückter Schrei zu ihnen herein. Gabriel eilte zum Fenster, um zu sehen, was geschehen war. Dann klirrten die Waffen, und es erklangen Schreie und Beschimpfungen auf Spanisch, Deutsch und Italienisch.
    »Sie haben den Palazzo angegriffen«, sagte Gabriel gleichgültig. »Nichts Besonderes – den Halstüchern

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