Das Vermächtnis des Kupferdrachens ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
Stimme verriet, wie verletzt er war.
Geschäftig machte sich der Elb daran, für die Nacht ein Feuer zu entzünden, doch alle Bemühungen waren vergeblich. Der Gewittersturm hatte das Holz so durchnässt, dass es nicht brennen wollte. Schweigend aßen sie ihre kärglichen Proviantreste. Dann wickelte sich Lamina in ihre feuchte Decke.
»Gute Nacht, lieber Freund.« Sie schloss die Augen, doch an Schlaf war nicht zu denken. Nicht nur, dass sie in ihren feuchten Kleidern und der kaum trockeneren Decke jämmerlich fror – auch ihre wirbelnden Gefühle ließen sie nicht zur Ruhe kommen. So einen inneren Aufruhr hatte Lamina erst einmal erlebt. Selbst wenn sie die Augen schloss, stand das edel geformte Gesicht mit dem bläulich schimmernden Haar, der schlanken Nase und den spitz zulaufenden Ohren noch immer vor ihr. Geralds Bild war verblasst.
Seradir lehnte sich an einen Baum und verschränkte die Arme hinterm Kopf. Er sah Lamina unter ihrer Decke zittern, zwang sich aber sitzen zu blEiben.
Er hatte sich gehen lassen! Wie konnte ihm das nur passieren? Eine zweite Stimme übertönte seine Selbstvorwürfe. Sie hatte ihn doch auch geküsst, und mehr war schließlich nicht passiert – leider! Er hätte sich nicht hinreißen lassen dürfen. Immerhin war sie eine Menschenfrau, obendrein eine Gräfin, meldete sich die erste Stimme wieder zu Wort. Eine bezaubernde, junge Frau! Im Strudel der Gefühle schlief er ein, doch seine Gedanken verfolgten ihn im Traum. Ein Druck auf der Brust und etwas Kaltes am Nacken schreckten ihn auf. Er wollte schon zum Schwert greifen, da erkannte er, dass es Lamina war, die sich zitternd vor Kälte an ihn schmiegte und ihren Arm um seinen Nacken gelegt hatte.
»Nur wärmen, bitte«, flüsterte sie erschöpft, und er drückte sie zärtlich an sich. Dann war sie auch schon eingeschlafen. Stundenlang wagte er nicht, sich zu bewegen, aus Angst, sie könnte erwachen, und als der Morgen kam, fühlte er sich gerädert und todmüde. Trotzdem war er glücklich, denn seine Hoffnung blühte wieder auf: Eines Tages würden sie zusammengehören.
Seradir in Gefahr
»Er ist ein Diener der Dämonen! Hört auf meine Worte, er ist mit ihnen im Bunde ...«
Der Sprecher verstummte, als sich die Tür öffnete und Cewell eintrat. Der Vater der Gräfin kam in letzter Zeit abends immer öfter in den kleinen Schankraum, den Lamina neben dem Bergfried hatte bauen lassen. Hier trafen sich die Wächter, die Stallburschen und das Gesinde am Abend, wenn der Dienst zu Ende war. Eigentlich war es gegen Cewells Überzeugung, mit Menschen, die so weit unter ihm standen, zusammenzusitzen und zu trinken, doch wenn er mit Lamina Streit hatte, war ihm auch nicht danach, allein im Speisesaal zu hocken. So ließ er sich an einem kleinen Tisch am Fenster nieder und lauschte dem Gespräch, das im Flüsterton wieder in Gang kam.
»Ich hab mal ne Geschichte gehört von zwei Holzfällern, die in den Elbenwald gegangen sind. Der eine kam gerade zum Lager zurück, als ein Elb seinen Freund überfiel. Der Elb hat den Freund verhext und ihn gezwungen, sich selber das Herz rauszuschneiden!«
»So einen Blödsinn hab ich schon lange nicht mehr gehört!« Berlon trank seinen Becher leer und stellte ihn auf den Tisch. »Nur weil die Eiben ein bisschen anders aussehen, sind sie noch lange nicht mit den Dämonen im Bunde.
Ich habe jedenfalls nichts gesehen, was ungewöhnlich wäre – außer dass Seradir ein sehr guter Bogenschütze ist! Und das ist er vermutlich, weil er trainiert, während andere Leute Bier trinken und Gerüchte verbreiten!« Der Wächter erhob sich, legte ein paar Kupferstücke auf die Theke und ging hinaus.
Sven schenkte sich den Krug zum vierten Mal voll. »Also ich finde ihn unheimlich – mit seinen schwarzen Augen und dem schwarzen Haar. In der Sonne sieht es sogar blau aus.« Er schüttelte sich. »Im letzten Monat sind zwei Fohlen bei der Geburt gestorben – und erinnert euch an das missgebildete Schaf! Also ich sag, da ist was im Gange.«
»So was gab’s aber auch schon früher«, murmelte Pet, der jüngste Stallbursche, traute sich jedoch nicht, es laut zu sagen.
»Ich sag euch, der schwarze Teufel hat die Gräfin verhext!«
Cromer stieß Sven in die Seite und nickte bedeutungsvoll zu Cewell hinüber, der in kürzester Zeit drei Krüge Bier hinuntergestürzt hatte. Nase und Wangen glühten rot im Lampenschein. Cewell hatte die Worte wohl gehört. Schwerfällig stand er auf, und um nicht zu fallen, musste
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