Das Vermächtnis des Martí Barbany
So jung bin ich nicht mehr, und ich kann mich verteidigen.«
»Ihr seid der Sohn Eures Vaters«, erklärte Pater Llobet mit einem Seufzer. »Wenn er in den Kampf ging, hat er das Gleiche gesagt.«
In diesem Augenblick ging die Tür des Arbeitszimmers auf, und Baruch Benvenist trat zu seinen Freunden. Eudald und Martí erhoben sich, und nach den unerlässlichen Begrüßungsworten setzten sie sich bequem hin, denn ihnen stand ein langer Nachmittag bevor.
Der Geldverleiher schien seit Ruths Fortgang weitere zehn Jahre gealtert zu sein.
»Wie geht es meiner Tochter, Martí?«
»Ich habe es Euch schon tausendmal gesagt: Ihr habt nichts zu befürchten.«
»Es geht nicht um mich, Martí, mich stärkt mein jüdischer Glaube … Aber meine Frau Rivka … Sie ist zwar eine wahre Eshet Chail , doch Tag für Tag leidet sie still, weil ihr kleines Mädchen nicht da ist.«
»Ich verstehe, dass Ihr beide Ruths Gesellschaft entbehrt, aber seid gewiss, dass sie glücklich ist und dass sie an meiner Seite immer sicher
sein wird. Ihr sollt sehen, dass der Tag kommt, an dem all diese Traditionen gemildert werden. Heute Morgen hat ihre Schwester sie abgeholt, und sie sind zur Mikwe in Sant Adrià gefahren, denn die im Call darf sie ja nicht besuchen, und im heidnischen Barcelona finden sich solche Einrichtungen nicht.«
»Das sind unsere Sitten. Die Frau muss sich nach ihren Tagen reinigen. Aber reden wir lieber über unsere Angelegenheiten, denn ich muss Euch beide um Rat bei etwas fragen, was mir Sorgen macht.«
Der Geldverleiher nahm sich die Kippa ab, holte ein Tuch aus der Tasche seines Überrocks und fuhr sich damit über den feuchten Schädel.
»Meine Brüder, ich muss vorsichtig sein, denn die Entscheidungen, die ich als Vorsteher der Geldverleiher treffe, können sich auf die ganze Gemeinde auswirken … Gestern Nachmittag hat sich der Intendant für Versorgung zusammen mit zwei Sekretären bei mir gemeldet. Er kam im Auftrag des Grafen. Und er hat etwas vorgetragen, was eher ein Befehl als eine Bitte war.«
Die Blicke beider Männer zeigten, wie aufmerksam sie Baruchs Worte verfolgten.
»Wir sollen meinen Keller frei machen, damit ihn die Berenguers nutzen können. In dieser Woche wollen sie uns eine ungeheure Menge Maravedis übergeben. Das ist sicher der Gewinn, den sie bei ihrem Vertrag mit dem Mauren erhalten haben.«
»Habe ich Euch nicht gesagt, dass sich Neuigkeiten windschnell verbreiten?«, kommentierte der Domherr.
»Und was hat diese Vereinbarung mit Pater Llobet und mir zu tun?«
»Pater Llobet betrifft sie nicht. Wohl aber Euch. Ihr müsst den Kasten mit Euren Rücklagen herausholen, weil der Graf den Raum ganz für sich allein beansprucht.«
»Und müssen die anderen, die dort ihr Geld verwahrt haben, es auch fortbringen?«
»Selbstverständlich. Außerdem habe ich für heute Abend eine Versammlung der Mukademin einberufen, damit wir festlegen, welchen Zinssatz wir dem Grafen dafür anbieten sollen, dass wir ein Jahr über sein Geld verfügen.«
»Macht Euch meinetwegen keine Sorgen. Gleich morgen komme ich mit Männern aus meinem Haus und schaffe mein Geld fort.«
»Es gibt noch mehr«, erklärte Baruch weiter. »Wie Ihr wisst, dürfen
die Juden als Einzige Geld prägen. Der Graf möchte nun an das glückliche Ereignis erinnern und befiehlt uns, die Maravedis einzuschmelzen und Mancusos herzustellen, die auf der einen Seite sein Profil und auf der anderen das Grafenwappen zeigen.«
»Man muss anerkennen, dass dies eine gute Maßnahme ist, um das Ansehen seiner Dynastie zu erhöhen und den Namen Barcelonas zu verbreiten«, kommentierte Eudald.
»Gewiss. Es ist so, wie Ihr sagt. Aber das wird uns außerordentlich viel Mühe bereiten: Wir müssen die Münzen einschmelzen und Barren daraus machen, und außerdem müssen wir neue Prägestempel herstellen, wie die Münzgröße sie verlangt, dazu neue Matrizen, und so etwas braucht Zeit.«
»Genau das wünscht der Graf, um sich seinen Zahlungsverpflichtungen zu entziehen. Niemand wird etwas ablehnen, was dem Ansehen der Stadt nutzt, und da wir für seine Schuldscheine gegenüber den anderen Grafen, seinen Gläubigern, bürgen müssen, wird sich für ihn all dies vorteilhaft auswirken.«
»Trotzdem, etwas scheint mir nicht zu stimmen. Ihr wisst, welchen Groll der Ratgeber gegen die Angehörigen meiner Rasse empfindet. Diese Idee stammt gewiss von ihm, und von dem Mann kann nichts kommen, was gut für mein Volk ist.«
»Wenn er, um die Gunst der
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