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Das Vermächtnis des Martí Barbany

Das Vermächtnis des Martí Barbany

Titel: Das Vermächtnis des Martí Barbany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chufo Lloréns
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glaubte, vor Lust zu sterben, und dachte, dass Momente wie dieser den Verzicht auf alle ewige Seligkeit rechtfertigten. Der Herrgott mochte sie für sich behalten, ihn interessierte sie nicht mehr.

12
    Zukunftspläne
    Barcelona, Mai 1052
     
    M artí fühlte sich zutiefst unsicher. Die Überzeugung, sein Vater habe ihn seinem Schicksal überlassen, um so zu leben, wie es ihm behagte, war schließlich wie ein Kartenhaus zusammengestürzt. Die ihm vorliegenden Beweise hatten ihn zu mehreren Schlussfolgerungen veranlasst: was sein Vater getan hatte, war erstens nichts anderes, als dass er eine Pflicht erfüllte, die ihm seine Vorfahren mit Verträgen und Vereinbarungen auferlegt hatten; er hatte gehorcht, weil es ihm seine Ehre gebot; außerdem war er im Gegensatz zu den anderen Kriegern seiner Zeit ein Ehrenmann gewesen, der sich bemühte, seinen harten Beruf auszuüben, ohne in barbarische Sittenlosigkeit zu verfallen. Zweitens wollte er sich nicht einmal zu seinem eigenen Vorteil bereichern, er hatte vielmehr seinen ganzen Gewinn zusammengespart, weil er an den Sohn dachte, den er kaum kannte.
    In seinem Testament hatte er eine einzige Empfehlung angegeben, nämlich, dass Martí das Andenken seines Vaters ehren sollte, indem er mit den Mitteln dieses Vermächtnisses dafür sorgte, andere zu entschädigen, denen sein Vater durch seinen Beruf möglicherweise Böses angetan hatte. Martí sagte sich, dass er dank der Mühen seines Vaters in dieser faszinierenden Stadt unter günstigen Voraussetzungen ein Abenteuer beginnen konnte, etwas, was er sich selbst in seinen glücklichsten Träumen niemals vorgestellt hätte.
    Fünf Tage zuvor war er voller Illusionen und mit wenig Geld, einem Ring und einem Empfehlungsbrief nach Barcelona gekommen, und vom heutigen Tag an konnte man sagen, dass er ein wohlhabender Mann war. Er ordnete seine Gedanken und traf zwei Entscheidungen. Als Erstes wollte er einen Boten zu seiner Mutter schicken, um ihr die gute Neuigkeit
mitzuteilen, damit sie ihren Groll besänftigte; dann bestellte er beim Erzdiakon Llobet hundert Messen für die ewige Seelenruhe seines Vaters. Nachdem er beide Aufgaben ausgeführt hatte und noch bevor er darüber nachdachte, wofür er sein neu erworbenes Vermögen verwenden würde, beschäftigte er sich mit der Frage, wie er es am besten aufbewahren konnte. Er bat den alten Benvenist um Hilfe, wusste er doch, dass das Vertrauen, das sein Vater in ihn gesetzt hatte, dessen Ehrlichkeit verbürgte.
    »Wie ich sehe, steht Ihr gern früh auf und habt einen leichten Schlaf«, begrüßte ihn der Geldverleiher, als er ihn an seiner Haustür empfing.
    »Sagt lieber, dass ich überhaupt keinen Schlaf gefunden habe. Es fällt schwer, so überaus viele Dinge wie die zu verarbeiten, die Ihr mir vorgestern offenbart habt: Heute Morgen habe ich sogar geglaubt, dass alles nur ein Traum gewesen wäre.«
    Der Greis nahm Martí am Arm und führte ihn zu seinem Arbeitszimmer. Dort setzten sich beide.
    »Aber nein, lieber Freund, es war kein Traum. Wenn Ihr älter werdet, könnt Ihr feststellen, dass solche einzigartigen Geschehnisse, die dem Leben eine neue Richtung geben, nicht häufig vorkommen. Trotzdem ereignen sie sich, und Ihr werdet lernen, Euch nicht mehr darüber zu wundern. Jahve erbarmt sich aller Menschen.«
    »Dieses neue Leben liegt wie eine übergroße Bürde auf meinen Schultern. Aber ich denke, dass ich mich daran gewöhne: Man wird ja viel leichter damit fertig, reich zu sein, als wenn man reich war und sich damit abfinden muss, arm zu sein.«
    »Glaubt das nicht: Wenn man plötzlich reich wird und nicht kaltes Blut bewahrt, bringt das einige Gefahren mit sich.«
    »Seid unbesorgt. Immer habe ich meine Verpflichtungen gewissenhaft erfüllt, und die Wünsche meines Vaters werden mir stets im Gedächtnis sein.«
    Benvenist betrachtete ihn aufmerksam.
    »Nun denn, beschäftigen wir uns mit unseren Angelegenheiten. Erstens, was wollt Ihr mit Eurem Geld tun? Wie wollt Ihr es aufbewahren? Ihr könnte ja nicht durch die Welt laufen und es bei Euch tragen.«
    »Darum bin ich hier. Ich möchte, dass Ihr es verwahrt, bis ich die entsprechenden Entscheidungen getroffen habe. Außerdem wünsche ich Euren Rat. Ich glaube, er gehört zu dem Erbe, das mir mein Vater hinterlassen hat.«

    »Damit ehrt Ihr mich, doch es ist meine Pflicht, Euch daran zu erinnern, dass ich Jude bin.«
    »Das ist für mich kein Hinderungsgrund, sondern eher ein Vorzug. Beratet Ihr etwa nicht die

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