Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Vermächtnis des Martí Barbany

Das Vermächtnis des Martí Barbany

Titel: Das Vermächtnis des Martí Barbany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chufo Lloréns
Vom Netzwerk:
Halbdunkel gewöhnten. Dann setzte er sich auf eine der Lehnbänke, die sich bei einem kunstvoll verzierten Beichtstuhl befanden. Der Mann kniete nieder, und aus den Augenwinkeln beobachtete er, dass der Beichtvater aus der Sakristei im Hintergrund kam und seinen Platz einnahm. Es verging nicht viel Zeit. Einen Augenblick später scharrten Sandalen über den Boden, und das kündigte ihm an, dass ein hochgewachsener und grobschlächtiger Geistlicher mit langem Bart nahe war. Er machte das Türchen des Beichtstuhls auf, küsste das Kreuz einer Stola, die an einem Haken hing, und nachdem er sie sich umgelegt hatte, schloss er die Tür. Der Mann ließ noch eine angemessen lange Zeit verstreichen, und als er den Moment
für günstig hielt, ging er zum Beichtstuhl und wartete, dass der die Tür verhüllende kleine Vorhang aufging.
    Eine eigentümliche Stimme begrüßte ihn aus dem Innern.
    »Ave Maria purissima.«
    »Ohne Erbsünde empfangen.«
    »Sagt mir, mein Sohn, welche Sünden Ihr begangen habt.«
    »Viele, Pater.«
    »Nun, dann zählt sie auf. Dazu seid Ihr ja gekommen. Ihr werdet sehen, dass Ihr so Eure Seele erleichtert.«
    Bernat Montcusí – der sich diesmal an einen unbekannten Priester gewandt hatte, weil er seinen üblichen Beichtvater Eudald Llobet, den Erzdiakon der Pia Almoina, nicht aufsuchen wollte – deklamierte die Sündenlitanei, die sein Gewissen belastete.
    »Ich habe gegen das zweite Gebot verstoßen, denn ich habe den Namen Gottes missbraucht. Ich habe gelogen. Ich habe fremdes Gut begehrt. Ich habe mich meines Amtes bedient, um Vermögen anzuhäufen.«
    Reglos wie eine Statue hörte der Geistliche zu.
    »Was noch, mein Sohn? Hast du gegen das sechste Gebot verstoßen?«
    »Pater, seitdem meine Frau gestorben ist, bin ich unendlich oft der Onanie verfallen.«
    »Bist du zu schlechten Frauen gegangen und hast Hurenhäuser besucht? Oder hast du dich mit einer Sklavin zufriedengegeben?«
    »Das Erste nicht, Pater: Ich habe Angst vor den Krankheiten, die solche Frauen übertragen. Was das Zweite betrifft, so ist es mir nicht angenehm, dass jemand in meinem Haus glaubt, er habe ein Recht erworben, weil er mit dem Hausherrn ins Bett gegangen ist.«
    »Dann, mein Sohn, ist deine Sünde der Selbstbefriedigung zwar in den Augen des Herrn nicht angenehm, aber einigermaßen verständlich. Also erlege ich dir als Buße auf...«
    »Noch nicht, Pater.«
    »Gibt es einen weiteren Fehltritt, der dein Gewissen peinigt?«
    »Ja, Pater, und darum bin ich heute Nachmittag gekommen, um Euren Rat zu erbitten. Ich bin Witwer, wie ich Euch gesagt habe. Meine Frau hatte aus ihrer früheren Ehe eine Tochter mitgebracht. Sie ist jetzt dreizehn Jahre alt geworden. Sie ist schön wie eine Gazelle. Ihre Formen zeichnen sich unter dem Rock ab, ihre Brüste sind zwei Walderdbeeren...«

    »Verlasst diesen Weg, aber redet nur weiter.«
    Montcusí sprach mit heiserer und brüchiger Stimme.
    »Aus der Vaterliebe, die ich für sie empfand, solange ihre Mutter lebte, ist eine vernichtende Leidenschaft geworden. Mein Blut gerät in Wallung, wenn ich sehe, dass sie ins heiratsfähige Alter kommt, und ich denke, dass ich den töten kann, der ihr naht und um ihre Hand anhält.«
    Der Priester hörte aufmerksam zu.
    »Was kann ich tun, Pater?«, fragte der Ratgeber mit gesenktem Kopf.
    »Ihr müsst sie von Euch fernhalten. Die Nähe einer Frau ist ungeheuer schädlich. Von ihrer Geburt an sind sie die großen Versucherinnen. Bedenkt, dass Adam im Paradies glücklich war, bis Eva vom Herrn geschaffen wurde. Ihnen steckt das Böse im Blut, und schon als Mädchen ist ihnen die Bosheit der Schlange zu eigen. Ich rate Euch, sie zum Eintritt in ein Kloster zu zwingen. Dort wird man ihr sündhaftes Verlangen zügeln, denn obwohl Ihr sie für ein unschuldiges Geschöpf haltet, weiß sie ganz genau, wie sie Euch versuchen kann, und Ihr armer Sünder seid ihrer Schamlosigkeit wehrlos ausgeliefert.«
    »Pater«, entgegnete Montcusí mit beinahe tonloser Stimme. »Ich halte mich nicht für fähig, sie von mir zu entfernen.«
    »Dann fallt Ihr der Verdammnis anheim. Wenn Ihr keinen Besserungsvorsatz habt, kann ich Euch keine Absolution erteilen.«
    »Pater, selbst wenn ich im Höllenfeuer brennen muss, ich bin nicht fähig, ohne sie zu leben. Meine Tage würden grau und eintönig vergehen, ohne jeden Grund zur Freude. Wenn meine Augen nicht ihren Anblick genießen können, werde ich zu einem lebenden Leichnam.«
    »Lieber Sohn! Kämpft gegen die

Weitere Kostenlose Bücher