Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
Vom Netzwerk:
seiner Haltung konnte Eccard die kurz aufblitzende Verwunderung über den Anblick seines einstigen und heute abtrünnigen Gefährten erkennen. Dann aber gab er seinem Pferd die Sporen und hob das Schwert zum Angriff.
    Die Klingen der Männer schlugen klirrend gegeneinander. Wieder und wieder ertönte jenes metallene Geräusch. Eccard parierte und schlug dann erneut zu. Doch auch sein Gegner verstand es, Hiebe abzuwehren. Eine ganze Zeit lang versuchten sie vergeblich, einen Treffer zu erzielen. Beide Kämpfer waren ungefähr gleich stark und gleich alt, nur eine Sache unterschied sie: Es war die Rüstung, die Lüder im Gegensatz zu seinem Feind trug. Sie machte den Ritter unbeweglich, und irgendwann gelang es Eccard, daraus einen Vorteil für sich zu erwirken.
    Ganz plötzlich wendete er Kylion so geschickt um das Pferd Lüders, dass er sich mit einem Mal hinter ihm befand. Gleich darauf hieb er sein Schwert so kräftig auf dessen linke Schulter, dass dieser aufbrüllte. Sein kleiner Sieg währte jedoch nicht lang. Schon waren sie wieder im wilden Zweikampf – und auch Eccard wurde getroffen. Nur kurz gab sein hoch erhobener Schwertarm seine Seite frei. Lüder holte aus und traf Eccards schutzlosen Körper am Oberschenkel; zwar nur leicht, doch es reichte aus, um eine schmerzhafte Fleischwunde hervorzurufen.
    Eccard schrie. Sofort schossen ihm die Bilder in den Kopf, wie er vor einigen Monaten schon einmal im Kampf am Bein verwundet worden war – damals mit Lüder an seiner Seite – doch für solche Gedanken war keine Zeit. Er spürte, dass er den Kampf möglichst bald beenden musste, wenn er nicht unterliegen wollte, denn mit einer solchen Verletzung würde er sich nicht ewig verteidigen können. So wendete er Kylion ein zweites Mal um Lüders Pferd herum, bereit für den entscheidenden Schlag. Als sein Hengst richtig stand, ließ er die Zügel in einer geschmeidigen Bewegung auf den Hals Kylions fallen, nahm seine zweite Hand, umfasste damit zusätzlich den Schwertknauf, und führte seine Klinge dann kreisförmig über seinen Kopf. All den Schwung, den er auf diese Weise holte, lenkte er in seine Waffe. Eccard traf seinen Gegner mit der Schneide genau an jener Stelle unter dem Topfhelm, wo die Kettenkapuze herausschaute.
    Lüder von Bockwolde röchelte nur kurz und fiel dann tot vom Pferd.
    Erleichtert ruhte Eccards Blick einen Moment lang auf dem Körper, dann fasste er seine Zügel nach und sah sich nach einem neuen Gegner um. Der Berg war mittlerweile übervoll mit kämpfenden Männern, zwischen denen dicke Rauchwolken hingen. Noch war es deshalb schwer zu erkennen, welche Seite es wohl schaffen würde, die Oberhand zu gewinnen. Aus Richtung des Kunzenhofs jedoch kamen immer mehr Gefolgsleute Johanns II. Erbarmungslos und ohne Gnade hieben sie auf jeden Anhänger des Plöner Grafen ein, der sich ihnen in den Weg stellte.
    Gerade als Eccard sich Giselbert von Revele widmen wollte, der nur zwei Pferdelängen von ihm entfernt just seinen Gegner getötet hatte, kam Ulrich von Hummersbüttel auf den Platz vor der Kirche geschossen. Er trug als Einziger keinen Helm, weshalb ihn Eccard sogleich erkannte. Mit einer unmissverständlichen Geste und lautem Gebrüll forderte er seine Gefährten zum Abziehen aus der Stadt auf: »Rückzug! Alle mir nach! Sofort!«
    Daraufhin galoppierte er von dannen. Die anderen Ritter ließen sofort von ihren Gegnern ab und ritten ihrem Anführer hinterher. Schlagartig wurde es ruhiger auf dem Platz vor der Kirche. Zurück blieb nur der Qualm.
    Eccard saß schwer atmend und hustend auf Kylion. Sein Schwert hing seitlich an ihm herab. Der Rückzug war so plötzlich gekommen, dass er einen kurzen Moment brauchte, um seine Verwunderung niederzuringen. War eine Niederlage nicht mehr zu vermeiden gewesen? Hatten sie deshalb die Flucht angetreten, um weitere unnötige Verluste zu verhindern? Oder sollten die Ritter den Ratsherren und Graf Johann bloß einen mächtigen Schlag versetzen, ohne dabei wahrhaft ihr eigenes Leben zu riskieren?
    Ganz gleich, was der Grund für den Rückzug war, keiner der Hamburger konnte sich jetzt über den Sieg freuen. Das Feuer musste gelöscht werden. Jeder Mann, jede Frau und jedes Kind wurden dazu benötigt – ebenso wie jedes Pferd, sei es auch noch so edel.
    So sprang Eccard von seinem Kylion und ließ sich Seile geben, die er um ihn schlang und festknotete. Während jeder, der noch in der Lage war zu laufen, Wasser aus den Fleeten heranschaffte, wurde die

Weitere Kostenlose Bücher