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Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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weiter!«
    Runa reagierte nicht. Hatte der Ritter tatsächlich auf sie und Freyja gewiesen, oder war es bloß der Rauch, der sie verwirrte? Sie hustete, rieb sich die Augen. Freyjas Worte drangen kaum mehr zu ihr durch. Ihre innere Stimme rief ihr zwar zu: Lauf um dein Leben. Rette dein Kind , aber sie stand bloß keuchend da. Ihr Blickfeld verengte sich, die Geräusche um sie herum wurden immer leiser.
    Dann kamen die Ritter, schossen brutal im Galopp durch die Flüchtenden hindurch und stachen gnadenlos zu. Stöhnend und schreiend gingen die Verletzten zu Boden. Die Übrigen stoben ohne Rücksicht auseinander und stießen andere dabei aus dem Weg. Eine Frau geriet ins Stolpern und kam unter die Hufe der Rösser. Ihr Kopf wurde so grob auf die Straße geschleudert, dass sofort Blut herausschoss.
    Jene Szene war das Letzte, was Runa sah. Etwas traf sie hart am Kopf. Ihre Knie gaben nach, und kurz bevor sie die Besinnung verlor, wurde sie so heftig angerempelt, dass sie kopfüber ins Fleetwasser fiel.
    Schon bevor Eccard und seine Männer durch das Steintor galoppierten, konnten sie deutlich sehen, dass hier etwas nicht stimmte. An mehreren Stellen in der Stadt stieg Rauch empor, und vereinzelt sah man orange züngelnde Flammen. Menschen liefen wild durcheinander, und von überallher erschollen Hilfeschreie. Es gab keinen Zweifel: Hamburg wurde angegriffen!
    Die Tore waren unbewacht und standen weit offen. Schon längst hatten die Männer ihre Posten verlassen, um dem Feind im Kampf gegenüberzutreten.
    Innerhalb der Stadtmauer angekommen, trieb Eccard Kylion wild an. Er nahm den ersten möglichen Weg Richtung Kunzenhof und stürmte ihn entlang. Seine Gedanken waren beherrscht davon, Margareta zu finden, und obwohl es sinnlos schien, schrie er immer wieder ihren Namen. Als er den Grafensitz erreichte, erkannte er auf einen Blick, dass dieser tatsächlich noch gehalten wurde. Obwohl der Angriff offenbar überraschend gekommen war, kämpften die Männer Johanns II. so unerbittlich, dass Eccard davon ausgehen konnte, hier nicht gebraucht zu werden. So galoppierte er weiter durch die engen Gassen des Jacobi-Kirchspiels, in denen einige Häuser schon in Flammen standen. Niemand dachte daran, sie zu löschen, ein jeder musste sein eigenes Leben retten. Aus allen Ecken und Winkeln vernahm er das Schreien und Weinen der Hamburger, doch nirgendwo entdeckte er ein bekanntes Gesicht.
    Er passierte die südlichen Domkurien und durchquerte die Altstadt, bis er die Petrikirche vor sich sah. Der Pfarrvikar hatte die Türen weit geöffnet und reichte immer wieder Alten, Frauen und Kindern seine helfende Hand, um sie die Stufen hochzuziehen. Sie alle stürmten panisch hinein und suchten Zuflucht innerhalb der steinernen Wände.
    Eccard hielt Kylion an und blickte auf den freien Platz vor der Kirche, der zum Schlachtfeld geworden war. Hier bestätigte sich schließlich, was ihm auf der Riepenburg während des Schachspiels ganz plötzlich klar geworden war. Eher unbedacht hatte Albert erwähnt, dass Margareta innerhalb der Kirchen zu Zeiten der Fehde am sichersten sei. Diese Bemerkung hatte Eccard unvermittelt etwas in den Kopf gerufen. Ohne es zu wollen, hatte Graf Gerhard II. nämlich einen versteckten Hinweis über seine Pläne verlauten lassen, als er versicherte, dass kein Gottes- und kein Landfrieden ihn aufhalten werde. Viel zu spät vermochte Eccard dieseentscheidenden Worte zu deuten. Von Anfang an war der Plan des Schauenburgers gewesen, zum Kinderbischofsspiel anzugreifen. Und von Anfang an war sein Ziel Hamburg gewesen – die fette, nimmersatte Hure mit ihren dreißig Liebhabern, wie er die Stadt mit ihren Ratsherren genannt hatte. Ein Blick auf die Berittenen, die Eccard, trotz ihrer Rüstungen, sofort erkannte, machte die Richtigkeit seiner Schlussfolgerung deutlich. Es waren seine alten Gefährten: Lüder von Bockwolde, Heinrich von Borstel und Giselbert von Revele! Und mit Sicherheit waren auch die anderen Vasallen Gerhards II. nicht weit.
    Die Geräusche des Kampfes holten Eccard wieder zurück aus seinen Gedanken. Er hatte weniger schnell mit einer solchen Möglichkeit gerechnet, aber jetzt, hier und heute, war der Moment gekommen, in dem er seinem neuen Herrn gegenüber die Treue unter Beweis stellen konnte. Auge um Auge. Mann gegen Mann. Auf Leben und Tod. »Lüder!«, schrie er den Namen des Ritters, der ihm am nächsten war.
    Der junge Ritter drehte sich um. Sein Gesicht war unter einem Topfhelm verborgen, doch an

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