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Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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drei nicht unter ihnen zu entdecken.
    Sie waren noch nicht weit gekommen, da teilte sich die Menge hinter ihnen erneut. Abermals wurden sie beiseitegeschoben, und vier große Kerle mit rußschwarzen Gesichtern drängten sich eilig zwischen den Leibern hindurch. Auf ihren Armen trugen sie regungslose Körper. Die von drei Männern, einer davon so blass, dass er tot sein musste, und den einer Frau.
    Ava stieß einen gellenden Schrei aus. Gleich danach begann sie zu schluchzen und mit zittrigen Fingern in eine Richtung zu weisen. Die Frau war Runa!
    Walther stürmte durch die Menge und riss dem Mann den leblos wirkenden Leib seiner Gemahlin aus den Armen. Ohne sich umzusehen, hastete er mit ihr zu einer der Beginen.
    Jetzt war es Oda, die einen Schrei ausstieß. »Seht nur! Der Herr sei gepriesen. Eccard!«
    Der Ritter folgte ihrem Blick, ebenso wie Godeke und Oda.
    An einem der Fenster des Kunzenhofs stand Margareta, die beim Anblick Eccards die Hände vor den Mund schlug und zu schluchzen begann. Hinter ihr war die Gräfin auszumachen, die die Schultern der Schwangeren umfasste und fast ebenso erleichtert aussah.
    Sie war in Sicherheit!
    »Herr im Himmel, und allen Heiligen sei Dank!«, flüsterte Eccard, übergab Godeke Kylions Zügel und hastete los. Er musste sofort zu ihr – jetzt gleich –, das war sein einziger Gedanke. Mithilfe seiner Arme verschaffte er sich Platz, schob sich zwischen den Menschen hindurch, den Eingang immer fest im Blick. Es war ihm gleich, wen er vor sich hatte. Geistliche, Grafen, Herzöge, ja, nicht einmal Könige hätten ihn aufgehalten. Für Höflichkeiten war nun nicht die rechte Zeit.
    Jeder, der den Blick des Herannahenden auffing, machte von selbst Platz. Zu deutlich war die Botschaft in seinen Augen. Bloß einen Mann schien das nicht zu interessieren. Er stellte sich mitten in seinen Weg.
    Eccard blieb zwangsweise stehen, jedoch nur kurz. Ohne zu überlegen hob er seine behandschuhte Linke, ergriff damit die rechte Schulter seines Gegenübers und setzte an, ihn beiseitezuschieben.
    Das ließ sich der Ritter des Grafen Johann II. nicht gefallen. Wütend und verwundert zugleich schlug er Eccards Hand mit einem kräftigen Hieb beiseite, stemmte die Fäuste in die Seiten und verengte seine Augen.
    Ungehalten herrschte Eccard ihn an. Er wollte einfach nur vorbei. »Mach gefälligst, dass du wegkommst!«
    Der Ritter aber blieb stehen. Sein Blick wurde mit jedem Moment ernster. »Ihr müsst verrückt sein, Mann!«
    Eccard Ribe dachte nicht nach. »Aus dem Weg mit dir. Sofort …«, befahl er aufgebracht, machte einen ausladenden Schritt an dem Ritter vorbei und ließ seine Schulter dabei provokant gegen die des Mannes prallen. Bereits jetzt waren seine Gedanken wieder bei Margareta. Er schaute zu ihr auf.
    In diesem Moment vernahm man ein schleifendes Geräusch. Es war unverwechselbar.
    Eccard kannte es nur zu gut und hielt inne. Der Gefolgsmann Johanns II. hatte sein Schwert gezogen.
    »Ihr seid wohl nicht bei Sinnen, Ritter von Graf Gerhard. Dies ist der falsche Ort für einen Lehnsmann der Plöner. Heute wahrscheinlich mehr denn jemals zuvor!«
    Die Zeit war zu kurz, um selbst sein Schwert zu ziehen. Das wusste Eccard. Erst jetzt wurde ihm gewahr, was es mit dem Blick des Mannes auf sich gehabt hatte, und dass ihm ein schrecklicher Fehler unterlaufen war.
    Wie aus einem Munde schrien Margareta und die Gräfin das eine Wort: »Nein!«
    Es war zu spät.
    Der Ritter Graf Johanns konnte nicht wissen, was sie wussten. Niemand war in Eccards heimlichen Überlauf eingeweiht gewesen. Und so bohrte er sein Schwert durch den vermeintlichen Feind; so kräftig, wie er nur konnte.
    Eccard Ribe schaute an sich hinab. Wie von selbst umfassten seine Hände die rotgetränkte Klinge, die ihm jetzt eine Handbreit aus dem Bauch ragte. Blut quoll zwischen seinen Lippen hervor und rann sein Kinn hinab. Sein letzter Blick galt seiner Frau.
    Dann gaben seine und Margaretas Knie gleichsam nach.
    Die ersten Stunden hatten Walther und Godeke mit Oda und Ava neben den zwei bewusstlosen Frauen gewacht. Sie hatten gebetet, den Herrn im Himmel lauthals um das Leben von Ehefrau und Schwester angefleht. Doch nichts geschah. Fast war es, als ob Runa und Margareta die Augen geschlossen hielten, da sie dem Schrecken nicht gewachsen waren, der sie im Wachzustand erwartete. Irgendwann hielten es die Männer nicht mehr aus und begannen, wie eingesperrte Tiere in der Kammer des Kunzenhofs im Kreis zu laufen. An diesem Punkt

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