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Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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horchte. Nach einer Weile hörte er auch Runa sprechen und schließlich seinen Stiefvater. Es war ein seltsames Gefühl, hier zu stehen. Er fühlte sich nicht dazugehörig. Nach all den Jahren, die er nun schon fort war, gaben ihm nur sein Kreuz, seine Bibel und die kirchlichen Gemäuer um ihn herum ein heimisches Gefühl. Die gleich anstehende Begegnung mit seiner Familie und deren Freunden ließ ihn aufgeregt zurück. Lächerlich, und doch konnte er sich einfach nicht dazu überwinden hineinzugehen.
    Je ruhiger er selbst wurde, umso lauter schienen die Gespräche im Inneren zu werden. Ohne, dass er es beabsichtigt hatte, lauschte er nun doch. Es ging um das Stadtrecht, welches durch ein Schiffsrecht erweitert werden sollte, wie der Rat gerade kürzlich beschlossen zu haben schien. Godeke erzählte ausschweifend, wie gut Thymmo seine Ratssitzung hinter sich gebracht hatte, was Ehler bloß ein Augenverdrehen entlockte. Er konnte Thymmo einfach nicht ausstehen. In den letzten Jahren war seine Verachtung dem immer braven Marianer gegenüber sogar noch gewachsen, und nun lobten ihn auch noch alle, kaum auszuhalten.
    »Runa, ich sage dir, sein Benehmen war tadellos. Ich glaube, die Bürgermeister waren beeindruckt von ihm.«
    »Wirklich? Das ist ja toll! Aber warum erfahre ich denn erst jetzt davon, dass der Ratsnotar mein Kind mit zur Sitzung genommen hat?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht solltest du Thymmo das bei Gelegenheit selbst fragen.«
    »Das werde ich – gleich morgen! Der wird sich hüten, seiner Mutter noch einmal solch wunderbare Neuigkeiten nicht als Allererste zu erzählen«, drohte Runa gespielt erbost, worauf alle anderen zu lachen begannen.
    Ehler hatte das Gespräch bislang nur mäßige Begeisterung entlockt, doch mit einem Mal änderte sich das, denn Christian sprach die beiden Schulen an.
    »Es gibt allerdings noch eine Änderung, von der dir Thymmo möglicherweise bald schon berichten kann, Runa.«
    »Was für eine Änderung meinst du?«
    »Es wird vielleicht zu einer Entmachtung des Scholastikus’ kommen.«
    Ehlers Kopf fuhr hoch. Hatte er tatsächlich richtig gehört?
    »Das müsst ihr uns jetzt aber genauer erklären«, forderte Walther die beiden Ratsherren am Tisch auf.
    Godeke gab das Wort an Christian weiter. »Ich denke, das solltest du erklären, mein Freund.«
    »Nun, mal wieder wurde dem Rat eine Kostenauflistung der Nikolaischule vorgelegt, die ergeben hat, dass die Schule weitere Gelder benötigt, da die Kosten angeblich nicht durch das Schulgeld der Jungen gedeckt werden. Es ist jetzt schon zum wiederholten Male in kürzester Zeit passiert, dass der Rat zur Zahlung aufgefordert wird. Das nimmt eindeutig überhand und stiftet Unfrieden. So wurde beschlossen, den Erzbischof am Tage des Weihefestes für das südliche Seitenschiff zu einer Sitzung zu laden. Bei dieser Sitzung wird der Rat ihm seine Gründe darlegen, warum er der Meinung ist, der Scholastikus dürfe nicht mehr die alleinige Oberaufsicht beider Schulen tragen. Er hat das Vertrauen der Herren missbraucht, und deshalb soll das Amt des Scholastikus der Nikolaischule an jemand anderen gehen.«
    Ehler zog die Augenbrauen zusammen und legte die Stirn in Falten. Er konnte kaum glauben, was da hinter dem Rücken des Magister Scholarum heimlich beschlossen worden war. Nun wollte er nur noch eines: wissen, wen der Rat erwählt hatte!
    »Das ist wirklich überaus interessant«, gab Walther von sich. »Doch was lässt euch glauben, dass Giselbert von Brunkhorst euch Gehör schenkt? Schließlich war er es, der Johannes von Hamme vor zehn Jahren jenes Amt übertragen hat. Warum sollte er seine eigene Entscheidung jetzt wieder rückgängig machen?«
    »Wir können nur hoffen, dass er ein Einsehen hat, wenn man ihm die Zahlen vorlegt«, gab Godeke zu. »Doch zudem hätte der neue Mann einen starken Befürworter. Kein Geringerer als Johann Schinkel versprach, sich für ihn einzusetzen.«
    Nun fragte Runa: »Der Rat hat also schon einen Mann erwählt, der das Amt des Scholastikus der Nikolaischule besetzen soll?«
    »Ja«, meldete sich erstmals Ava zu Wort. In ihrer Stimme schwang unüberhörbarer Stolz. »Er hat sich für Christian entschieden, und mein Gemahl hat auch schon eingewilligt. Das heißt, falls der Erzbischof dem Wunsch des Rates entspricht.«
    Ehler zerrte an seinem Kragen, der ihm ganz plötzlich die Luft abzuschnüren schien. Er musste hier weg. Wie benommen taumelte er die Stufen hinunter.
    Hannah kam aus der Küche

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