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Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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nicht durch alle Straßen durchgefragt.«
    »Und wenn wir uns durch alle Straßen gefragt haben? Was dann?«
    Bentz wurde ernst. »Diese Frage ist berechtigt, Tybbe, und wir sollten darüber reden. Ich werde dir helfen, so gut ich kann. Aber wenn wir hier keinen Hinweis finden, dann wirst du mit mir kommen und diese törichten Gedanken über Spielmänner und Lieder ein für alle Mal vergessen.«
    Tybbe blickte ihn an. Kurz wog sie ab, ob er in der Lage war, sie dazu zu zwingen, und beschloss, dass sie keinesfalls ohne ihn auskommen konnte. Ja, sie musste auf seine Forderung eingehen. Es blieb ihr keine Wahl. »Und wohin soll ich dir folgen?«
    »Dorthin, wo ich Arbeit finde, und dorthin, wo man uns nicht sucht. Wo man dich nicht sucht! In einer Stadt wie Kiel sind wir nicht sicher.«
    »Einverstanden!«, sagte sie.
    »Gut«, erwiderte er nickend und richtete dann seinen Blick auf die vollgestopften Straßen. »Doch bevor wir weitersuchen, sollten wir uns vielleicht erst einmal stärken. Wir laufen schon seit Stunden umher.«
    Tybbe nickte entmutigt und stieß sich von der Wand ab.
    Der Bote öffnete die Tür der Burgkapelle. Sein Blick fiel sogleich auf den Betenden, doch dieser hatte die Augen starr nach vorne gerichtet. Er war so vertieft in den Anblick der geschnitzten und bemalten Holzfigur über dem Altar, dass er den Mann zunächst gar nicht kommen sah.
    Der Geistliche betete mit offenen Augen, als der Lichtkegel auf die Marienstatue mit dem Jesuskinde im Arm fiel. Dann vernahm er Schritte schräg hinter sich. Schnelle Schritte, die hallend an sein Ohr drangen. Der Kirchenmann erhob sich von seinen Knien und sah sich verwundert um. Außer ihm war niemand hier, der Mann musste also tatsächlich zu ihm wollen.
    Mit einer geheimnisvoll anmutenden Geste blickte der Bote sich um und fingerte gleichzeitig nach einem Stück Pergament, das in seinem Mantel verborgen war. »Seid Ihr der Beichtvater des Fürsten?«
    »Ja, der bin ich.«
    »Das ist für Euch«, sprach der Mann und übergab den Brief.
    Schon hatte der Bote wieder kehrtgemacht und verließ eilig die Kapelle.
    Der Geistliche hatte nicht die geringste Ahnung, wer der Versender war, weshalb ihn die Neugier das Blatt schnell entfalten ließ. Es war unschwer zu erkennen, dass der Schreiber die Zeilen mit schneller Feder geschrieben hatte.
    Verzeiht, dass ich mich kurz fasse und es aus Gründen der Eile an Höflichkeit Euch gegenüber mangeln lasse. Doch obwohl wir uns schon einige Jahre nicht gesehen haben, zwingen mich die Umstände dazu. Der Grund meines Briefs ist leider kein erfreulicher …
    Die Augen des Lesenden fuhren immer schneller über das Blatt. Auch wenn er es eigentlich nicht glauben konnte, war ihm schon nach den ersten Zeilen klar, um was es ging.
    … schnelles Handeln ist nun unabdingbar, deshalb wird Euch nun die unehrenhafte Aufgabe zuteil, Eurem Herrn zu berichten. Ich hoffe, er weiß, was zu tun ist. Sicher werdet Ihr verstehen, dass ich nichts ausrichten kann. …
    Nach den Schlussworten griff sich der Mann ans Herz. Konnte das wirklich die Möglichkeit sein? Jahrelang hatte er schon nichts mehr darüber gehört – fast schon waren die Ereignisse aus seinem Gedächtnis gestrichen gewesen. Nie im Leben hätte er damit gerechnet, dass die Vergangenheit sie alle noch einmal derart einholen würde. Schlagartig wurde ihm bewusst, was das bedeutete, und er mochte sich gar nicht ausmalen, was passieren würde, sollte die Wahrheit je herauskommen!
    Der Geistliche musste nicht lang überlegen, um zu wissen, was er zu tun hatte. Es würde ihm keine Wahl bleiben, als seinen Herrn über die Geschehnisse zu unterrichten. So schlug er ein letztes Kreuz mit Blick auf die hölzerne Marienfigur und hastete aus der Kapelle über den Burghof bis zur Halle, wo der Fürst sich des Tages aufhielt. Hier fiel er vor ihm auf die Knie.
    »Herr, bitte verzeiht, dass ich Euch störe, doch es gibt eine äußerst wichtige Kunde, die ich mit Euch besprechen muss.«
    »Ach ja? Ist sie von solcher Bedeutung, dass Ihr mein Mahl stören müsst?«
    »Bedauerlicherweise ja. Die Sache duldet keinen Aufschub. Bitte hört mich an – unter vier Augen!« Als der Graf nicht gleich reagierte, setzte sein Beichtvater noch einmal nach. »Glaubt mir, die Nachricht ist von höchster Dringlichkeit und verlangt absolute Geheimhaltung.« Nun sagte der Geistliche langsam und eindringlich: »Ich bitte Euch, mein Fürst! Die Botschaft kommt aus dem Bistum Verden, von einer Dienerin des

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