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Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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wollte jenes zarte Pflänzchen, welches dieses Gespräch noch war, nicht zertreten. Drum fragte er vorsichtig: »Was habe ich getan, das dich so verärgert?«
    »Das kann ich Euch sagen. Ihr habt mich all die Jahre zu Eurem Spielball gemacht. Ich lernte, was immer ich lernen sollte, und ich war, was immer ich sein sollte.«
    »Aber war es nicht auch das, was du wolltest?«
    »Pah«, stieß er aus. »Hat Euch das je interessiert?«
    »Natürlich hat es das! Du warst stets das Wichtigste für mich, und alles andere stand dem Wunsch nach, dich glücklich zu machen.«
    »Ach ja? Wollt Ihr etwa leugnen, dass ich damals nur zum Kinderbischof gewählt wurde, weil Ihr dem Scholastikus eine Gefälligkeit erwiesen habt?«
    Johann Schinkel prallte regelrecht zurück und stammelte: »Wer … wer hat dir davon erzählt?«
    »Es stimmt also!«, stellte Thymmo angewidert fest. »Ich konnte es erst nicht glauben, doch nun kenne ich die Wahrheit!«
    Der Domherr hatte seine Stimme schnell wieder im Griff. »Nein, Thymmo. Die kennst du nicht. Bitte lass mich erklären. Es gibt eine Sache, die du nicht …«
    »Spart Euch das«, sagte er und bedachte den Ratsnotar mit einem letzten wütenden Blick. »Ich habe genug gehört, um zu wissen, dass es Euch in der Vergangenheit in erster Linie um Euren Vorteil gegangen ist. Warum sollte es heute anders sein? Und nun wollt Ihr mir Beke verwehren, da Ihr mir mein Glück nicht gönnt. Doch ich habe mich zum letzen Mal von Euch benutzen lassen.« Dann rauschte er an ihm vorbei.
    Johann Schinkel blieb erstarrt zurück. Alles war so schnell gegangen, dass er Mühe hatte, seine Gedanken zu ordnen. Plötzlich fiel sein Blick auf die Männer der Obermühle, die wie gebannt zu ihm herüberstarrten. Sie hatten in ihrer Arbeit innegehalten, um den kurzen Streit zwischen den Kirchenmännern zu verfolgen. Das auch noch! Der sonst so friedliche Ratsnotar polterte: »Was gibt es hier zu glotzen? Habt ihr nichts zu tun?« Dann wandte er sich um und verschwand in der Straße Hinter St. Peter.
    Thymmo nahm wieder den Weg am Heidenwall. Sein Blut rauschte laut in seinen Ohren, und sein Herz pochte. Es stimmte also doch, was der Scholastikus zu ihm gesagt hatte! Er war einer schändlichen Lüge aufgesessen. Und wenn der Tag des Kinderbischofsspiels eine Lüge gewesen war, was war noch Lüge? All die Jahre, die er dem Ratsnotar so blind vertraut hatte, schienen mit einem Mal zu Asche zu zerfallen und durch seine Finger zu rinnen. Thymmo wusste nicht, was er nun tun sollte. Was war das Richtige? Sollte er darauf verzichten, Domherr zu werden? Sollte er zu Johannes von Hamme gehen?
    Verwirrt schritt er die Stiegen der Kurie hinauf in seine Kammer. Erst als er die Tür hinter sich schloss, voller Wut eine Truhe davorschob und sich daraufsetzte, wurde er langsam ruhiger. Hier würde er nachdenken können.
    »In zwei Tagen werden wir die Stadt verlassen, hörst du?«
    »So bald also schon …«, murmelte Tybbe leise vor sich hin, die jetzt einen Tag lang Zeit gehabt hatte, sich damit abzufinden, dass ihre Reise nach Kiel erfolglos geblieben war. Es fiel ihr schwer, die Hoffnung gänzlich abzuschütteln, doch wie es schien, war es nun Zeit zu akzeptieren, dass sie sich fortan den Wünschen von Bentz zu fügen hatte. Vorher jedoch wollte sie einlösen, was sie sich selbst versprochen hatte: Bentz eine Freude machen! Die junge Frau lächelte schelmisch. »Gut, ich werde dir folgen, wohin auch immer du mich bringen magst. Heute aber sind wir noch hier …!«
    Bentz schaute sie nachdenklich an. »Was meinst du damit?«
    Tybbe kramte in den Falten ihres Kleides und holte ihr Leinensäckchen hervor. Dann überreichte sie Bentz die Kette mit einem Anhänger daran. »Du solltest dir vernünftige Schuhe und vielleicht eine neue Cotte besorgen, Bentz. Schließlich kannst du nicht ewig mit der Kleidung des Propstes herumlaufen. Wie es aussieht, hat er das Armutsgelübde sehr ernst genommen. Die Sachen fallen dir ja schon fast beim Laufen vom Leib.«
    Bentz blickte zuerst auf seine Schuhe, von denen der rechte schon ein Loch aufwies, und dann auf das Schmuckstück. Eigentlich wollte er die Kette nicht nehmen, denn er schämte sich etwas. Noch nie hatte eine Frau für ihn bezahlt. Und auch wenn Tybbe recht hatte und seine Kleidung löchrig und zerschlissen war, stand ihm zusätzlich nicht der Sinn nach einem Kauf, was auch einen Grund hatte: Seit er bei der Botenanstalt gewesen war, fühlte er sich seltsam in der Bauchgegend, doch er

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