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Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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Vernunft. Was für einen Grund gab es auch, das Kind nicht willkommen zu heißen? Christians Geschäfte liefen gut, und die Geburten waren leichter und leichter geworden, mit jedem Kind, das sie gebar. Eigentlich gab es bloß eine Sache, die Ava, im Gegensatz zu früher, mittlerweile störte: Hannah würde wieder ihren Anspruch auf Christian geltend machen.
    Hatte Ava einst gut damit leben können, so fiel es ihr heute immer schwerer, und sie kannte auch den Grund: Die Magd war viele Jahre jünger und hatte keine Kinder. Demnach war ihr Körper straff und schön. Ava hingegen hatte durch ihre vielen Schwangerschaften sichtlich an Schönheit eingebüßt, wenn auch nicht in ihrem Gesicht. Unter der Kleidung allerdings fand man Brüste, die vom vielen Stillen schlaff geworden waren, und einen Bauch, der von zahlreichen Rissen überzogen war. Zusätzlich schien nach jedem Kind etwas auf ihren Hüften zurückzubleiben, was nicht mehr verschwinden wollte. Jedes Jahr brauchte sie größere Kleider, da die alten spannten, was sie an manchen Tagen maßlos ärgerte.
    Damals, zur Zeit ihrer Hochzeit, war es gleich gewesen, dass Ava älter war als ihr Gemahl. Heute, fast acht Jahre später, konnte man es deutlich sehen, und es wäre wohl bloß eine Frage der Zeit, bis man dem noch immer sehr gutaussehenden Christian mitleidige Blicke für die runzelige Vettel an seiner Seite zuwerfen würde.
    Christian versicherte ihr zwar immer wieder, dass er sie nach wie vor begehrte, doch Ava konnte sich das immer weniger vorstellen. Wie würde sie erst nach diesem Kind aussehen? Dem achten!
    Doch all diese Überlegungen waren jetzt überflüssig, denn das Kind war nun mal in ihrem Leib. Auch wenn Ava nicht wusste, wie sie es bei Christians häufigem Verlangen nach Zweisamkeit verhindern sollte, nahm sie sich dennoch vor, dass dieses Kind das letzte sein würde! Nach dieser Schwangerschaft war endgültig Schluss.
    Ava beendete das lästige Nachdenken, indem sie das Bett verließ. Leise zog sie sich an und setzte sich dann wieder auf die Kante der Bettstatt. Es gab noch etwas zu tun, was sie die letzten Wochen immer vor sich hergeschoben hatte. Sanft legte sie ihre Hand auf Christians Schulter. »Bist du wach?«
    »Hmm?«
    »Komm, öffne die Augen. Ich muss dir etwas sagen.«
    »Jetzt?«
    »Ja, jetzt!«
    Christian drehte sich um und sah seine Frau verschlafen an. »Was ist denn so wichtig, dass es nicht warten kann?«
    »Wir werden ein sechstes Kind bekommen.«
    Mit einem Mal war der Ratsherr hellwach. »Was sagst du da? Du bist schwanger?«
    »Ja, ich erwarte ein Kind.«
    »Aber … aber so schnell? Ich meine … das letzte ist doch erst …«
    »Nun, dann hättest du mich vielleicht etwas länger schonen sollen«, gab Ava leicht beleidigt von sich. »Alleine habe ich es jedenfalls nicht gezeugt.«
    »So habe ich das nicht gemeint«, versuchte Christian seine Frau zu besänftigen, richtete sich auf und legte seine Hand auf ihren Arm. »Ich freue mich. Wirklich!«
    Ihr Gemahl versuchte wahrlich, seine erste Reaktion wiedergutzumachen, aber Ava konnte das nicht annehmen. »Ja sicher freust du dich, und ich weiß auch warum!«
    In diesem Moment ließ sich Christian wieder zurück in die Laken fallen. »Bitte, Ava. Nicht schon wieder. Du weißt doch, dass mir Hannah nichts bedeutet.«
    »Das sagst du immer, aber wie kann ich das glauben? Schau mich an. Ich werde immer älter, dicker und faltiger, und sie sieht noch aus wie eine Jungfrau. Irgendwann wirst du mir keine Beachtung mehr schenken …«
    »Das ist doch Unsinn! Ich liebe und begehre dich nach wie vor«, versicherte er ihr. »Sonst wärst du ja jetzt auch nicht schwanger, oder?«
    Sie nickte, trotz ihres grimmigen Gesichts.
    »Und nun Schluss mit diesen Reden, Weib.«
    Ava riss sich zusammen. Sie ärgerte sich über sich selbst, denn eigentlich hatte sie keinen Streit gewollt. Es war die Eifersucht, die jene Worte aus ihr rausplatzen ließen. Doch auch das nächste Thema versprach von vornherein Zwietracht, weshalb sie spontan entschied, nicht die ganze Wahrheit zu sagen. »Ich werde vor dem Weihefest noch einmal zum Markt gehen.«
    Zu Avas Glück hatte Christian kein Interesse mehr an einem weiteren Gespräch mit seiner verstimmten Gemahlin. »In Ordnung, geh nur. Ich erwarte dich dann vor der Messe hier zurück.«
    Avas schlechte Laune hielt noch genau bis zum Markt. Als sie aber all die schönen Sachen sah, vergaß sie ihren Ärger schnell. Tief in sich wusste sie auch, dass sie sich

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