Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
Abreise.
Ein Diener der Burg kam herbeigeeilt und verbeugte sich tief. »Ritter von Wersabe ist dabei, die Burg zu verlassen und würde sich über einen letzten Gruß freuen.
»Ich komme«, versprach Margarete, die ja nur deshalb auf dem Hof war, um den abreisenden Gästen des Turniers noch eine gute Heimreise zu wünschen. Während sie ihr Kleid glatt strich, fragte sie: »Wo ist mein Gemahl?«
»Er ist bereits am Tor, Herrin«, sprach der Diener und hielt der Gräfin ein Bündel aus edelstem Tuch entgegen.
»Was ist das?«
»Das ist ein Geschenk des Grafen von Stotel an Euch. Dringliche Angelegenheiten zwangen ihn zur übereilten Abreise im Morgengrauen.«
»Der Graf von Stotel ist schon fort?«
»Ja, bedauerlicherweise war es ihm nicht möglich, sich selbst bei Euch zu bedanken, darum gab er mir das hier.«
»Was ist es? Zeigt es mir.«
Der Diener hob mit den Fingerspitzen die Enden des goldverbrämten Tuchs an. Zum Vorschein kam eine wunderschöne Halskette mit funkelnden Steinen.
Die Gräfin trat näher und fuhr mit den Fingern über die Steine. Es war ihrem Blick zu entnehmen, dass sie einen kurzen Moment von der Schönheit des Schmuckstücks gefangen war. Jedoch nur kurz. »Schick sie ihm zurück.«
Der Mann hob ruckartig den Kopf. »Was habt Ihr gesagt, Herrin?«
»Du hast mich schon richtig verstanden. Schick sie ihm zurück. Nicht ein einziges Mal in der Woche des Turniers hat er sich uns gezeigt. Nun will ich auch seine Geschenke nicht.«
»Sehr wohl, Herrin«, sagte der Diener kleinlaut und schlug die edle Kette wieder in das Tuch ein. Dann verschwand er.
Die Gräfin drehte sich zu Runa und Margareta um. »Später, in meiner Kemenate, führen wir unsere Unterhaltung fort.« Dann schritt die Fürstin davon.
Wieder einmal bewunderte Runa die Fähigkeit Margaretes, von einem zum anderen Moment von einer Herrscherin zu einer Freundin und zurück wechseln zu können.
»Sie ist wunderbar«, schwärmte Margareta mit einem sehnsuchtsvollen Blick. »So schön und würdevoll. Und sie hat mit mir gesprochen!«
»Ja, so sieht es aus, kleine Schwester«, lachte Runa. Sie selbst hatte sich mittlerweile daran gewöhnt, mit der Gräfin zu reden.
»Ich meine, sie hat mich sogar etwas gefragt! Über meine Hochzeit.«
»Ich stand neben dir, meine Liebe, und habe es laut und deutlich gehört«, spottete Runa belustigt, während sie in das vor Aufregung leicht gerötete Gesicht blickte. Doch schon im nächsten Moment schweiften ihre Gedanken ab zu den Ereignissen vor einigen Wochen. Die Hochzeit! Viel hatte sich seitdem verändert: Die Familie war weit voneinander entfernt. Godeke war als Einziger in Hamburg geblieben, während ihre Eltern, sie selbst und Margareta der alten Heimat den Rücken gekehrt hatten. Wenn Runa jetzt an Hamburg dachte, waren ihre Gefühle gemischt. Sie hatte viel Gutes dort erlebt, aber auch sehr viel Schlechtes. Gerne würde sie damit abschließen und Kiel als ihre neue Heimat annehmen, aber auch wenn Runa es sich nicht erklären konnte, etwas in ihr ließ sie wissen, dass Hamburg sie nicht freigeben würde.
Als Margareta den abwesenden Blick ihrer Schwester bemerkte, fragte sie: »Was ist mit dir?«
Runa schaute Margareta an. Sie wollte sie nicht mit ihren düsteren Gedanken belasten und sagte: »Ich habe mich gerade an deine Hochzeit erinnert. Du hast so wunderschön ausgesehen in deinem weißen Kleid, mit deinen langen roten, geflochtenen Zöpfen, in denen diese leuchtenden blauen Kornblumen steckten.«
»Zu schade, dass ich mein Haar ab jetzt verbergen muss.«
Runa stieß ihrer Schwester in die Seite und tadelte sie im Scherz: »Lass das keinen Geistlichen hören, du ziersüchtige Dirne.«
Margareta kicherte, wurde jedoch dann wieder ernst. Die Gedanken an ihre Hochzeit waren stets verbunden mit dem Schmerz, der ihr in der Vergangenheit widerfahren war. Es würde noch einige Zeit dauern, bis dieser gänzlich verblasste. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie schlecht es mir damals ergangen ist.«
Die Ältere wusste sofort, wovon ihre Schwester sprach. »Ja, wer hätte gedacht, dass diese Geschichte jemals ein so gutes Ende nehmen würde?«
» Ich bestimmt nicht. Nachdem Hereward von Rokesberghe die Verlobung mit mir gelöst hatte, war ich wirklich der Überzeugung, dass kein Mann mich – eine verschmähte Braut – je wieder wollen könnte. Ich war sicher, ich müsste in ein Kloster gehen und würde niemals heiraten und Kinder bekommen.«
Runa nickte kaum erkennbar. Fast
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