Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
Freudentag für Johannes vom Berge. Ebenso wenig, wie es kürzlich auch kein Freudentag für Vater Everard gewesen ist.«
»Ja, es wird aufgeräumt in Hamburg, das gefällt mir. Vielleicht ist das auch der Grund, warum die hohe Geistlichkeit des Landes sich derweil in unserer Stadt niederlässt.«
»Was meint Ihr damit?«
»Der Erzbischof hat beschlossen, bis zum Kinderbischofsspiel in der Stadt zu bleiben und seinen Aufenthalt in meiner Kurie zu verlängern. Ich werde also weiterhin mit dem Kunzenhof vorliebnehmen müssen, doch wenn es der Ordnung Hamburgs dienlich ist, soll es mir recht sein.«
»Interessant«, murmelte Johann Schinkel vor sich hin, der wie alle Hamburger wusste, dass der Erzbischof Hamburg nur selten Bremen oder seiner Burg Hagen vorzog.
»Das ist es. Aber lasst Euch nicht weiter von mir aufhalten, Ratsnotar.«
In diesem Moment wurde Johannes vom Berge an den beiden Männern vorbeigeführt. Er zog eine Wolke furchtbaren Gestanks hinter sich her, die Albrecht von Schauenburg angewidert das Gesicht verziehen ließ.
Johann Schinkel hingegen schaute dem Mann, der Runa und ihrer Familie viele Jahre lang schreckliches Leid zugefügt hatte, direkt in die dunkel geränderten Augen. Heute wirst du büßen , dachte er bei sich und nahm sich vor, keine Gnade walten zu lassen, wenn seine Stimme gefragt sein würde.
»Du wirst sie mögen, liebe Schwester. Die Gräfin hat ein gutes Herz.«
»Und sie will mich wirklich kennenlernen? Ich bin so aufgeregt, Runa. Wie soll ich mich verhalten? Sie ist nicht nur eine Gräfin, sondern auch eine Königstochter.«
»Mach es mir einfach nach, dann kann nichts passieren.«
In diesem Augenblick kam Margarete von Dänemark aus dem Palas – dicht gefolgt von sechs sündig schönen Hofdamen mit nicht minder schönen Kleidern. »Ah, das muss Eure Schwester sein, nicht wahr?«, fragte sie Runa mit ihrer angenehm ruhigen Stimme.
»Richtig, Gräfin. Das ist Margareta Ribe.«
Margareta knickste so tief, dass ihr Knie fast den Boden berührte. Sie wagte es nicht, ihr Gegenüber anzusehen.
»Bitte, lasst uns ein Stück gehen. Wir wollen uns unterhalten.«
Die Frauen setzten sich langsam in Bewegung und schlenderten gemächlich über den Burghof, während die Fürstin ein Gespräch begann.
»Und? Wie gefällt Euch das Leben einer Rittersfrau?«, fragte sie Margareta. »Ich hörte bereits von Eurer Schwester, dass Eure Vermählung noch nicht lang zurückliegt.«
»Das ist wahr, Gräfin. Genau genommen sind es erst sechs Wochen«, antwortete sie, um einen ruhigen Ton bemüht. Noch immer hatte Margareta sich nicht daran gewöhnt, mit hochrangigen Herren und Damen zu sprechen, die ihr vor der Hochzeit mit Eccard niemals Beachtung geschenkt hätten. »Ich muss noch viel lernen, was die Führung einer Burg angeht. Schließlich war mir eher das Leben als Frau eines Ratsherrn bestimmt. Zu meinem großen Glück sind meine Eltern mit mir auf die Riepenburg gezogen, sodass ich meine Pflichten kurzweilig vernachlässigen und meinen Gemahl auf das Turnier hier in Kiel begleiten konnte.«
Die Gräfin blieb stehen und lächelte. »Auch das gehört zu den Aufgaben einer Rittersfrau. Ihr müsst Eurem Gemahl zur Seite stehen. Und, unter uns gesprochen: vor allem, wenn sie im Turnier verlieren.«
Margareta senkte den Blick und nickte. »Ihr sagt es, Gräfin. Doch mein Zuspruch prallt an ihm ab. Er ist nach wie vor verstimmt.«
»Meine Liebe, sorgt Euch nicht um die Stimmung Eures Gemahls. Alle Männer benehmen sich nach einer Niederlage gleich.«
Jetzt war es Runa, die antwortete. »Ja, verletzter Stolz heilt oft weniger schnell als so manche Fleischwunde.«
»Wohl war«, stimmte die Fürstin ihr zu, die sich an den Verlust des Auges von Johann II. erinnert sah. Dann wollte sie von Margareta wissen: »Wie geht es dem Bein Eures Gemahls?«
»Nun, es schmerzt wohl, doch es ist schwer zu sagen, ob es seine alte Verwundung ist, die ihn von Zeit zu Zeit plagt, oder die neue Prellung, die dem Tjost zuzusprechen ist. Doch ganz gleich, welcher Natur seine Verletzung ist, sie hindert ihn mehr am Lachen denn am Laufen.«
Die Frauen mussten über Margaretas nette Umschreibung für Eccards Eitelkeit lächeln.
»Wie lange werdet Ihr noch unsere Gäste sein?«
»Wir reisen morgen ab.«
Margarete von Dänemark nickte. Nur einen Augenblick darauf wurde die Aufmerksamkeit der Gräfin Richtung Tor gelenkt. Denn wie schon den ganzen Morgen befand sich ein Gefolge nach dem nächsten auf der
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