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Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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ihrem Gemahl angekommen, flüsterte sie: »Gott steh mir bei, ich habe mein eigenes Kind verraten!«
    Christian schloss Ava in die Arme. Er wusste, was es sie gekostet hatte, das zu tun. Sie liebte alle ihre Kinder, ob sie nun guten Herzens waren oder nicht. »Du hast das Richtige getan.«
    Ehler wurde weggeführt. Es gab keine Unschuldsbekundungen und keine Schreie. Nur das Geräusch des ungleichmäßigen Stolperns seiner Füße über den Boden.
    Hartwic von Erteneborg schickte augenblicklich zwei Männer in Begleitung zweier Ratsherren sowie zweier Domherren zur Kurie Johann Schinkels. Sollte das Messer tatsächlich dort im Brunnen gefunden werden, wo Domina Ava es vermutete, war die sofortige Freilassung Thymmos von Holdenstede unabdingbar. Doch noch galten seine Gedanken der Wahl des zweiten Scholastikus’. So richtete der Bürgermeister sein Wort an den Erzbischof. Er wusste, jetzt konnte der Rat nur noch gewinnen. »Nun, Erzbischof, da Euer Vorschlag bedauerlicherweise – aber durch Gottes Fügung – nicht mehr zu verwirklichen ist, wird die Wahl wohl auf den Mann des Rates fallen.« Dieser Satz war mehr eine Feststellung denn eine Frage, und tatsächlich blieb dem Erzbischof nichts anderes übrig. Hätte er Christian Godonis jetzt abgelehnt, wäre zu Recht der Vorwurf der Willkür auf ihn herniedergekommen.
    »So soll es geschehen«, sagte Giselbert von Brunkhorst matt. In diesem Punkt musste der Erzbischof nachgeben, aber in einem anderen würde er sich selbst dafür einen Ausgleich schaffen – wenn Gott es zuließ! »Fortan erhält Christian Godonis die Aufsicht über die Schule des Nikolai-Kirchspiels. Er soll frei über die Schulgelder und über zusätzliche Zahlungen des Rates verfügen dürfen, und er soll es auch sein, der die Magister zum Unterrichten der Jungen einstellt und sie besoldet.«
    Der Jubel der Ratsherren dauerte an. Endlich, nach zehn Jahren, waren sie frei von der Willkür Johannes’ von Hamme. Die Männer hielten sich nicht zurück. In aller Ruhe beglückwünschten sie den eben ernannten neuen Schulmeister, der über das ganze Gesicht strahlte. Die geräuschvolle Freude, welche sich über die Stätte gelegt hatte, zog sich hin, und ihr wurde erst durch das Zurückkehren der fortgeschickten Männer Einhalt geboten. Schon von weitem erkannte man, dass sie ein Messer bei sich trugen.
    Dagmarus Nannonis sprach es aus: »Domina Ava hatte recht. Das Messer lag auf dem Grund des Brunnens. Der Domherr befindet sich schon in der Fronerei, und der zu Unrecht eingesperrte Thymmo von Sandstedt …«, bei diesen Worten drehte er sich um, »… befindet sich ab jetzt wieder in unserer Mitte.«
    Thymmo, der nicht lang in dem Verließ hatte darben müssen, war unversehrt. Bloß seine Kleidung war schmutzig, und er stank ganz fürchterlich. Dennoch schlossen ihn Walther, Runa und auch Freyja fest in die Arme.
    Nannonis sprach den jungen Mann an. »Ich glaube, das gehört dir, nicht wahr?« Es war die Flöte, die er einst von Walther bekommen hatte.
    »Ja, das ist meine«, sagte er nickend, und konnte kaum glauben, dass er sie tatsächlich noch einmal wiedersah. Ehler hatte sie ihm damals im Streit vom Hals gerissen. Dabei war das Buch zu Schaden gekommen, und man hatte sie mit Rutenhieben dafür bestraft. Lange schien diese Zeit zurückzuliegen. Thymmo wollte sich nicht daran erinnern. Er verknotete die zerrissenen Enden des Lederbandes, und hängte sich die Flöte um den Hals, wo sie schon viele Jahre nicht mehr gewesen war.
    Graf Johann, der sich bislang zurückgehalten hatte, lächelte. Jetzt war sein Moment gekommen. Er hob die Hand und bat um Stille. »Bitte, setzt euch wieder, meine Herren«, forderte er die Anwesenden auf. »Auch ich habe noch etwas zu verkünden.« Dann erhob er sich erstmals in dieser Sitzung von seinem prachtvollen Gestühl. Von hier aus schritt er in die Mitte der Stätte und blickte auf seinen einstigen Spielmann, der so viel mehr war, als alle es je geahnt hatten. »Tretet vor, Walther von Sandstedt.«
    Der Angesprochene gehorchte wortlos. Irgendwas im Blick seines früheren Herrn ließ ihn wissen, dass dieser Moment etwas Großes für ihn bereithielt.
    »Kniet nieder!«, verlangte der Schauenburger.
    Ein erwartungsvolles Raunen ging durch die Menge. Einige von ihnen waren kurz verwirrt, doch die meisten ahnten, was jetzt passieren würde.
    Walther beugte die Knie und hob seinen Blick. Das Gesicht des Fürsten hatte etwas Feierliches an sich.
    Laut ertönte seine

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