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Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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Rücken an der Tür nach unten glitt. Auch er weinte jetzt – wusste er doch nun, dass die letzten Worte, die er mit seinem Vater gewechselt hatte, im Streit gewesen waren.

    EPILOG
    Ganze dreißig Jahre war die Beerdigung Jordans von Boizenburg jetzt her. Die seines Nachfolgers Johann Schinkel war dieser mindestens ebenbürtig gewesen. Ragnhild konnte das beurteilen – sie hatte beide erlebt –, was sie wiederum daran erinnerte, dass sie bald fünfzig wurde.
    Versonnen blickte sie in das Wasser des schnell fließenden Gröningerstraßenfleets. Sie mochte diesen Platz auf dem Hinterhof von Runas und Walthers Haus – erinnerte er sie doch an jene Stelle am Reichenstraßenfleet, an der sie vor vielen Jahren häufig gesessen hatte. Albert hatte ihr damals einen Schemel und ein kleines Tischchen ans Wasser gestellt, heute jedoch gab es beides nicht mehr. Nahezu alles, was sie und Albert je besessen hatten, war beim Verlust ihres Hauses an Hereward von Rokesberghe abhanden gekommen oder dem Brand der Riepenburg zum Opfer gefallen. Ragnhild trauerte den Sachen nicht mehr nach. Es waren bloß Dinge. Ihre Gedanken schweiften ab, während sie auf das glitzernde Wasser schaute.
    Was für ein bewegtes Leben sie doch gehabt hatte. Manches Mal schien es ihr unwirklich, wenn sie daran zurückdachte: Als Säugling hatte ihre Mutter sie nach Hamburg gebracht. Halb verhungert, war sie von der guten Mechthild wie eine Tochter aufgezogen worden. Schon oft hatte Ragnhild sich gefragt, was wohl aus ihr geworden wäre, wenn das Schicksal sie nicht zu ihr getrieben hätte. Möglicherweise wäre sie gestorben. Eines stand jedoch fest, sie hätte Albert niemals kennengelernt. Und dann hätte sie ihre wunderbaren Kinder nie bekommen.
    Ragnhild dachte daran, wie Albert und sie sich ineinander verliebt und wie sein Bruder Conrad sie stets verachtet hatte. Sie waren ihm nach dem Tode des Vaters viele Jahre lang ausgeliefert gewesen; er hatte sie voneinander getrennt, doch ihre Liebe hatte alle Hürden überwunden und sie schließlich wieder geeint.
    Darauf folgten Jahre des Glücks und der Zufriedenheit. An jene Tage erinnerte sie sich besonders gern. Albert saß im Rat und genoss hohes Ansehen. Thiderich war noch am Leben, Godeke war zum Mann geworden, und Walther hatte Runa geheiratet. Das war die Zeit gewesen, wo sie am Reichenstraßenfleet an ihrem Tischchen gesessen hatte.
    Ragnhild rieb sich das schmerzende Knie und legte es auf den hölzernen Eimer, den Runa ihr für diesen Zweck hingestellt hatte. Sie konnte sich kaum noch daran erinnern, wie es gewesen war, einfach loszulaufen und keine Schmerzen dabei zu empfinden. Ohne den Stock, den Godeke ihr eines Tages hatte anfertigen lassen, würde sie manches Mal nicht einmal aus dem Bett kommen.
    Das Wasser zog sie schnell wieder in seinen Bann. Ihre Gedanken führten abermals in die Vergangenheit. Diesmal zur Riepenburg, mit der sie glückliche Zeiten verband, jedenfalls bis zu jenem Tag des Überfalls! Ragnhild schloss kurz die Augen und atmete tief ein und aus. Noch immer war es ihr, als haftete der Geruch von Verbranntem in ihrer Nase. Ganz von selbst kamen diese schrecklichen Bilder. Wie oft hatte sie sich in den letzten Jahren schon gewünscht, Albert nicht tot gesehen zu haben? Das Bild von seinem zerschlagenen Gesicht verfolgte sie bis heute.
    Nach Alberts Ableben wäre sie am liebsten selbst gestorben, nur um wieder bei ihm zu sein, ganz gleich, ob im Himmel oder der Hölle – Hauptsache bei ihm! Doch sie war am Leben. Ragnhild zwang sich, die Augen wieder zu öffnen, und verscheuchte so die schlimmen Bilder. Ja, sie war am Leben, und es mussten wohl erst ganze acht Jahre vergehen, bis sie daran endlich wieder Freude fand.
    Thymmo war frei und die totgeglaubte Freyja zu ihnen zurückgekehrt. Noch immer gab es viele offene Fragen, aber Ragnhild brauchte keine Antworten. Manches Mal war es im Leben bloß das Ergebnis, das zählte. Das war eine Lektion, die sie gelernt hatte.
    Unweigerlich erschien in diesem Moment ein Gesicht vor ihrem geistigen Auge. Es war das Antlitz von Johannes, ihrem so lang verschollenen Sohn. Der Preis für das, was er der Familie angetan hatte, war hoch gewesen, und auch wenn die Mutter um ihr Kind trauerte, war sie auf eine absurde Weise auch froh. Seine Sünden waren für sie mit Freyjas Rückkehr getilgt. In ihren Gedanken saß er jetzt zusammen mit seinem Vater zur Rechten Gottes. Ragnhild hatte es sich nicht nehmen lassen, die Totenwache für ihn zu

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