Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
Kräfte.«
Johannes hörte nicht auf sie. Sein letzter Satz war bloß ein Krächzen. »Du bist in Sicherheit!« Dann rollte sein Kopf zur Seite.
10
Drei Tage waren vergangen, und auch wenn es vielen der Hamburger angesichts der jüngsten Ereignisse in der Stadt unwirklich vorkam, das Leben musste weitergehen.
Es war das erste Mal seit langer Zeit, dass alle drei Mächte versammelt waren, denn neben dem Rat waren auch der Erzbischof, als Vertreter der Geistlichkeit, und Graf Johann II. zugegen.
Der Schauenburger war es auch gewesen, der darauf bestanden hatte, die Sitzung unter freiem Himmel und für jedermann in Hamburg zugänglich, im Baumgarten des Kunzenhofs abzuhalten. So, wie hier in früheren Jahren auch Gericht gehalten wurde, sollten heute die dringenden Angelegenheiten der Stadt – neue und alte – unter den Augen der Bürger geklärt werden.
Zunächst machten die vielen Menschen um ihn herum Hartwic von Erteneborg unruhig. Für ihn hatte diese Situation etwas Merkwürdiges, und er vermisste die Vertrautheit seines nur begrenzt zugängigen Geheges im Rathaus. Doch der Bürgermeister schaffte es, sich davon zu befreien, und irgendwann fielen die Hamburger ihm gar nicht mehr auf.
»Als Nächstes richtet der Rat das Wort an unseren Erzbischof.« Hartwic wandte sich Giselbert von Brunkhorst zu, der auf einem breiten Lehnstuhl saß. »Wie schon in einem vorangegangenen Schreiben angekündigt, erbitten wir von Euch heute die Erlaubnis zur Ernennung eines zweiten Scholastikus’ für die Schule im Kirchspiel St. Nikolai.«
Verstohlen blickten viele der Ratsherren hinüber zu Johannes von Hamme, dessen Miene unbewegt blieb. Zu ihrer Überraschung schien jene Neuigkeit ihn nicht zu berühren. Sie konnten nicht wissen, dass auch er damals, als er durch seine eigenen Kundschafter von den Plänen des Rates erfahren hatte, dem Erzbischof ein Schreiben überreichte. Der Magister war siegessicher.
Giselbert von Brunkhorst nickte. »Ich habe Eure Bitte zu diesem Thema erhalten, meine werten Ratsherren«, sprach der Erzbischof. »Doch ich muss euch sagen, dass Christian Godonis nicht der einzige Vorschlag gewesen ist, der mich erreichte.«
Leises Geflüster war zu vernehmen. Mit dieser Antwort hatten die Ratsherren nicht gerechnet.
»Ebenso schrieb mir der Magister Scholarum, der gleichsam den Einfall verfolgte, einen weiteren Scholastikus in der Stadt einzusetzen.«
Diese Neuigkeit versetzte die Männer in Erstaunen. Es war kaum zu glauben, was sie da hörten, waren sie doch der festen Überzeugung gewesen, der Schulmeister würde sich niemals freiwillig einer Entmachtung seiner Stellung hingeben. Unruhe kam auf.
Der Erzbischof fuhr fort. »In einer weiteren Sache herrschte bei euch Männern Einigkeit: Der zweite Mann sollte ein Nikolait sein.«
Nun verstummte jedes Gespräch. Mit dieser Nachricht hatte nun wirklich niemand gerechnet.
»Mir liegen also die Namen zweier Männer vor, die beide Nikolaiten sind, und mein Entschluss steht fest. Ich habe mich entschieden, dem Vorschlag des Scholastikus’ zu entsprechen, und ernenne somit den Domherrn Ehler zum zweiten Magister Scholarum der Stadt Hamburg.«
Jetzt waren die Ratsherren nicht mehr zu halten. Wütend brüllten sie durcheinander. Man hatte ihren Vorschlag einfach abgelehnt – trotz dessen, dass sich der Ratsnotar in ihrem Brief für Christian Godonis ausgesprochen hatte. Ihre Entrüstung darüber, dass die rechte Hand Johannes von Hammes das Amt bekommen sollte, war grenzenlos. Schließlich würde sich so nichts an ihren Problemen ändern.
Beide Bürgermeister mussten sich von ihren Plätzen erheben. Einer von ihnen versuchte, die Ratsherren zu beruhigen, der andere redete auf den Erzbischof ein, um den Unmut der Männer hinter sich in verständliche Worte zu packen. Niemand sah das nachdenkliche Gesicht des Magister Scholarums.
Als er den Brief an den Erzbischof geschrieben hatte, war er davon überzeugt gewesen, die Lösung, Ehler einzusetzen, sei aus seiner Sicht die beste. Es hätte sich fast nichts zu vorher verändert. Heute jedoch hatte er starke Zweifel, was seinen Entschluss betraf. Er wusste, Ehler war nicht geeignet für das Amt als Schulmeister. Der junge Domherr hasste das Marianum, und er hasste dessen Schüler. Ohne Frage wäre sein ganzes Bestreben darauf aus, der Nikolaischule Vorteile zu verschaffen, und es wäre bloß eine Frage der Zeit, bis er mit ihm darüber in Streit geriet. Johannes von Hamme konnte nicht zulassen, dass
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