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Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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zu reiten, bloß um Eindruck zu schinden. Nun konnte auch sie gestehen: »Liebend gern. Ich kann mir auch etwas Besseres vorstellen, als halb auf dem Pferdehals und halb auf dem Sattel zu sitzen. Aber die Blicke war es allemal wert gewesen!«
    Einen Moment später prusteten sie beide lauthals los. Bis sie vor Godekes und Odas Haus standen, bekamen sie ihr Lachen nicht in den Griff. Erst ein lauter Freudenschrei unterbrach sie.
    »Sie sind da! Godeke, Ava, Ehler, Veit, kommt alle raus, sie sind da!« Es war Oda, die leichtfüßig auf das Ehepaar zugerannt kam und Runa, die mit Walthers Hilfe zuerst vom Pferd glitt, fest in die Arme schloss.
    Gleich darauf kamen auch alle anderen herbeigeeilt und bestürmten die beiden mit Fragen.
    »Wo sind die Kinder?«
    »Wem gehört das Pferd?«
    Das Poltern des gräflichen Pferdewagens beantwortete zumindest die erste Frage, denn Freyja streckte bereits beide Arme heraus und winkte. Dahinter schaute Margareta hervor, was wiederum neue Fragen aufwarf. Während die Frauen den Rest der Familie in Empfang nahmen, führte Walther unter Godekes wortreicher Bewunderung das Pferd in den Stall hinterm Haus.
    Später zog es alle in die Küche, wo Oda sich daranmachte, einen Becher für jeden zu füllen.
    Godeke erzählte währenddessen von Eccards Brief. »Mutter, Vater und Eccard müssten jeden Tag in Hamburg eintreffen. Ich habe einen Brief von ihnen erhalten.« Dann wandte er sich an Margareta. »In dem Brief stand, dass du vom Pferd gefallen bist. Ist das wahr?«
    Trotz dessen, dass es damals ein Schock gewesen war, begann Margareta zu lachen. Fröhlich plauderte sie los: »Oh, ja, das bin ich. Mein Hintern ist immer noch blau und grün. Ich sage euch, wenn es nicht sein muss, werde ich nie wieder auf ein Pferd steigen.«
    Alle stimmten in ihr Lachen ein.
    Margareta hob den Becher und sagte im Scherz: »Auf dass ich nie wieder reiten muss!«
    Runa, die ebenso wenig vom Reiten hielt wie ihre Halbschwester, stimmte in den Spaß mit ein und rief: »Auf den behaglichen Pferdewagen der Gräfin!«
    Während sie alle lachten, betrat die Amme mit Thido auf dem Arm die Küche.
    Oda blickte sich um und legte die Handflächen auf ihre Wangen. »Nein, ich kann es kaum glauben, wie groß er in der kurzen Zeit geworden ist«, bemerkte sie und sprach damit aus, was auch Ava und Godeke dachten, als sie Runas schlafenden Jüngsten sahen. »Das letzte Mal, als wir alle zusammensaßen, war Thido gerade erst geboren. Jetzt ist er bald vier Monate alt!«
    Runa betrachtete Oda von der Seite und grinste, als diese sich plötzlich verstohlen eine Träne von der Wange wischte. »Nun weine doch nicht, liebste Schwägerin. Jetzt sind wir doch wieder zusammen, nur das zählt.«
    Oda ließ sich von Runa umarmen und lachte über ihr eigenes Verhalten. »Es ist mir selbst unbegreiflich, warum ich jetzt weinen muss. Ich glaube, je älter ich werde, umso weicher wird mein Herz – besonders, wenn es um die Kinder geht. Aber das wisst ihr ja.«
    Runa strich Oda über den Rücken. Es war selten, dass ihre kinderlose Schwägerin so offen darüber sprach, was die schlimmste Pein für sie war. »Eines Tages wirst auch du Mutter sein, da bin ich mir sicher.« Sie legte ihre verbliebene Hand auf den Rücken ihrer Halbschwester und sagte: »Vertraue einfach auf Gott, dann wird er dir und unserer lieben Margareta sicher gleichzeitig ein Kind schenken.«
    Margareta lächelte schief und senkte etwas beschämt den Blick.
    Godeke, der selbstverständlich so gut wie kein Zweiter um Odas Ängste wusste, lenkte die Unterhaltung schnell in eine andere Richtung. »Wo wir schon bei Kindern sind: Habt ihr schon gehört, dass es abermals eine Schuljungenschlacht gegeben hat?«
    Der Rest des Abends war mit diesem Thema ausgefüllt.

7
    Heute! Heute zum letzten Mal! Das versprach sich Everard selbst, als er, wie jeden Tag der letzten zwei Wochen, in aller Herrgotts frühe auf die Straße trat, um den verdammten Dieb zu suchen, der ihm seine Tasche gestohlen hatte. Der Kirchenmann hätte nicht beschwören können, dass er dieses Mal seinen eigenen Worten Taten folgen lassen würde. Sein Vorhaben, die Stadt endlich zu verlassen, scheiterte nämlich täglich an nichts anderem als an seiner Angst.
    Nachdem er bestohlen worden war, hatte jede Buße, jedes Gebet und jeder Schwur dem Rat oder Grafen gegenüber zunächst einmal alle Wichtigkeit verloren. Er hatte eine Unterkunft finden müssen, und da er nichts mehr besaß, war für ihn bloß noch

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