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Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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jetzt, wo einer von Thiderichs Mördern tot war, wurde es Zeit, in die Zukunft zu sehen. »Nun, diese Entscheidung liegt bei deinem Bruder.«
    »So ein Unsinn«, widersprach Runa. »Er ist zwar dein Vormund, aber nicht dein Kopf, deine Seele, dein Herz. Was ist mit deinem Herzen?«
    »Mein Herz …? Spielt das denn wirklich eine Rolle, bei einer Vermählung?«
    »Aber ja!«, protestierte die über beide Ohren verliebte Margareta. »Du wirst doch wohl nicht warten, bis Godeke dir irgendeinen Mann vorsetzt, oder?«
    »Was soll ich denn sonst tun?«
    »Na, selbst einen auswählen«, ließ Oda verlauten. »Wie wäre es denn mit Alwardus von Brema?«
    »Der ehemalige Ratsherr, dem die Frau weggestorben ist? Wie alt ist der? Zweihundert Jahre?«, entgegnete Ava mit einem entrüsteten Blick.
    »Und was ist mit Radolf von Eilenstede?«, fragte Runa in der Gewissheit, einen guten Mann aufgetan zu haben.
    »Oh, bitte, der ist einen Kopf kleiner als ich.«
    »Aber Nikolaus von Parchem ist groß und ansehnlich«, warf Oda ein.
    »Hmm … Wieder ein Ratsherr«, bemerkte sie, zog die Mundwinkel nach unten und legte die Stirn in Falten. »Ich weiß nicht so recht. Die meisten sind doch aufgeblasene Wichtigtuer …« Ava bemerkte nicht, wer sich langsam von hinten näherte, und sprach einfach weiter. Oda, Runa und Margareta versuchten zwar, der Witwe Zeichen zu geben, doch diese verstand sie nicht zu lesen. »… eingebildet und selbstverliebt sind sie. Fast alle fettleibig und gehüllt in mehr glänzende Stoffe, als jede noch so eitle Frau …«
    »Also das Letzte lasse ich mir ja noch gefallen, aber fettleibig bin ich nun wirklich nicht.«
    Ava fuhr herum, ließ vor Schreck ihren Korb fallen, und schaute direkt in die Augen von Christian Godonis.
    Viel zu dicht, als dass es noch schicklich war, befand sich sein Gesicht nun an ihrem. Grinsend, mit dem Blick eines Jägers, der eine Beute ansah, sagte er: »Verzeiht, dass ich Eure Nachforschungen bezüglich eines neuen Gemahls so barsch unterbrochen habe, Witwe Schifkneht, doch ich konnte diese Beleidigungen einfach nicht auf mir sitzen lassen.«
    Ava trat hastig einen Schritt zurück und senkte den Blick. »Ich weiß nicht, wovon Ihr sprecht, Dominus. Ganz bestimmt bin ich nicht auf der Suche nach einem neuen Gemahl. Vielleicht ist es Euch nicht bewusst, doch ich befinde mich noch in Trauer.«
    Christian trat wieder einen Schritt an Ava heran, die entrüstet nach Luft schnappte. »Und dabei sieht Euer wunderschönes Antlitz nicht einmal traurig aus. Wie macht Ihr das nur?«
    »Was Ihr zu mir sagt, ist unangemessen.«
    »Und doch ist es wahr. Rote Wangen, weiße Haut, dunkle Augen. Ihr solltet einen neuen Gemahl suchen, bevor diese ansehnlichen Schätze der gnadenlosen Zeit anheimfallen.«
    Nun hob Ava den Kopf. Sie wich nicht zurück und blickte stattdessen erbost in die Augen ihres Gegenübers. »Eure Worte sollen wohl schmeichelhaft klingen, doch sie sind bloß unverschämt. Das ist ein Unterschied, den Ihr offenbar noch lernen müsst, Dominus. Und nun entschuldigt mich. Ich habe zu tun.«
    Der Ratsherr schaute prüfend in Avas Gesicht, das mittlerweile etwas Kämpferisches ausstrahlte. Seine eben bloß übliche Neugier, die er einer jeden halbwegs ansehnlichen Frau entgegenbrachte, verwandelte sich plötzlich in Begeisterung. Er begann zu lächeln und sagte: »Euer zukünftiger Gemahl ist gleichermaßen zu beneiden und zu bemitleiden. Gott gebe, dass er zwei mächtige Eier zwischen seinen Beinen hat.« Bevor Ava auch nur ein Wort auf diese empörende Äußerung erwidern konnte, hob der Ratsherr auf, was Ava eben hatte fallen lassen. »Euer Korb, meine Schöne.«
    Ava riss ihm das Flechtgut aus der Hand und bedachte ihn noch mit einem wütenden Blick. Dann rauschte sie wortlos und mit hochrotem Kopf an dem lachenden Christian vorbei.
    Die Frauen hatten sichtlich Mühe, hinter ihr herzukommen.
    Oda versuchte, sie mit Rufen aufzuhalten. »Nun lauf doch nicht so schnell. Warte.«
    Tatsächlich blieb Ava kurze Zeit später stehen, auf dass Oda sie einholte. Die Witwe war noch immer so erschrocken über die Worte Godonis’, dass sie nur ungläubig den Kopf schütteln konnte. Dann platzte es aus ihr heraus: »Was für ein ungehobelter Kerl«, schimpfte sie vor sich hin. »Ohne jeden Anstand und, und …«
    »… und ziemlich gutaussehend!«, beendete Oda ihren Satz mit einem vielsagenden Grinsen.
    »Pah!«, winkte Ava ab. »Ein vereister See im Winter ist auch schön anzusehen, und

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