Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
unseres Herrn macht sich bereit für eine Sauhatz.«
Nun sprach der zweite der Burschen: »Ja, auch Ihr müsst Euch eilen, Walther von Sandstedt. Graf Johann II. wünscht, dass Ihr ihn bei der Jagd begleitet.«
Walther schüttelte verwirrt den Kopf. »Wie soll ich das verstehen? Beide Grafen belieben jetzt auf eine Sauhatz zu gehen? Gleichzeitig?«
Die zwei Boten schauten einander skeptisch an. Wer von ihnen sollte die Wahrheit aussprechen? Der Mutigere der beiden fasste sich ein Herz.
»Gestern kam es auf dem Kunzenhof zwischen den Grafen zum Streit. Als mein Herr, Gerhard II., hörte, dass sein Vetter am nächsten Tag vorhatte, zu einer Sauhatz zu gehen, waren sie sich plötzlich uneins über die Besitzansprüche der Jagdgründe um Hamburg herum und die des sich darin befindlichen Wildes. Alles endete damit, dass keiner der beiden nachgeben wollte und nun beide heute zur Jagd zu gehen belieben. Demjenigen, der das größere Wildschwein erlegt, dem soll der Wald gehören.«
Diese Nachrichten waren alles andere als erfreulich. Ging es hier doch schließlich nur im Entferntesten um eine Jagd, denn viel mehr um einen Streit. Dieses Treiben würde wahrscheinlich niemandem wirklich Freude machen. Godeke legte seine beiden Hände auf die Schultern seiner Freunde und sagte: »Ihr zwei seid nicht zu beneiden, dennoch, lasst die Grafen besser nicht warten.«
Als Walther und Eccard nebeneinander die Straßen Hamburgs entlangritten, kämpfte sich die Sonne gerade zwischen dem leichten, morgendlichen Wolkenschleier hindurch. Es versprach, ein sonniger aber klirrendkalter Tag zu werden, was in diesem November keine Seltenheit war.
Sie waren noch nicht weit gekommen, da fiel Eccards Blick auf Walthers Stute. Die schwarze Mähne des Pferdes war in viele kleine Zöpfe geflochten. Trotz seiner Müdigkeit, begann er schallend zu lachen.
Walther folgte seinem Blick und erwiderte wenig begeistert: »Ich hatte keine Zeit mehr, die Zöpfe zu öffnen. Und selbst wenn, danach sieht es auch nicht besser aus. Freyja tut das ständig, ich kann sie einfach nicht davon abhalten.«
Eccard wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. »Ich finde, es passt zu dir.« Dann begann er erneut zu lachen.
»Vielen Dank, mein Freund. Ich sehe schon, meine Tochter macht mich heute zum Gespött der Männer. Genau das, was ich jetzt brauche …«
Sie bogen in die Alstädter Fuhlentwiete ein und sahen den Kunzenhof, der bereits dicht an dicht mit berittenem Gefolge gefüllt war. Von weitem sah es so aus, als wäre alles wie immer, wenn ein Fürst zur Sauhatz ritt. Erst bei genauerem Hinsehen erkannte man, dass die Jagdgesellschaft alles Erforderliche zweimal aufwies. Es gab zwei der wild herumwuselnden Bracken-Meuten mit ihrem bunten Fell, sowie zwei Jäger, die eine Saufeder trugen, mit denen das Wildschwein später abgefangen werden sollte – eben für jeden Grafen einen.
Eccard wusste, wie es auf einer Sauhatz zuging,
Walther hingegen hatte davon keine Ahnung und blickte mit großen Augen umher. »Was passiert gleich?«, fragte er seinen Freund.
Knapp erklärte dieser: »Die Hunde hetzen die Sau oder den Keiler so lange, bis das jeweilige Schwein sich schließlich vor Erschöpfung stellt. Dann stirbt es durch die Saufeder.«
Walther nickte. Er schien aufgeregt zu sein.
Eccard hingegen schaute missmutig zu den Rittern seines Herrn hinüber. Er hatte ganz offensichtlich weder Lust auf dessen Gesellschaft, noch auf die Jagd an sich. »Was für ein Unsinn, dieses Spektakel«, beschwerte er sich leise, während er ein Gähnen unterdrücken musste. »Die beiden Grafen benehmen sich mittlerweile wie Kinder. Vielleicht wäre eine anständige Fehde besser als dieser unterschwellige Hass aufeinander.«
»Wünsch dir das lieber nicht. Kämpfe bringen noch größeres Leid mit sich als diese Albernheiten. Bleibt nur zu hoffen, dass die Grafen keine Zwillings-Keiler anbringen.«
Eccard lachte. Leise teilte er Walther noch seine letzten Gedanken mit. »Ich sage dir, ich sehe es schon vor meinen Augen, wie die Grafen nach der Jagd den Schinken ihrer erbeuteten Wildschweine vergleichen und es darüber wieder zum Streit kommt.« Dann hob er die Hand zu einem letzten Gruß und trabte an. »Bis heute Abend auf dem Kunzenhof.«
Walther grinste. »Dir eine fröhliche Jagd, mein Freund«, wünschte er Eccard in einem spöttischen Unterton, bevor auch er sein Pferd in einen leichten Trab brachte und sich zu Graf Johanns Anhängern gesellte.
»Spielmann,
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