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Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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heißen? Ihr habt gesagt, dass ich mit Euch kommen kann.«
    »Ja, ich weiß. Nur haben sich meine Pläne geändert. Ich werde nicht mehr nach Rom reisen, sondern nach Sandstedt, in Friesland, wo ich herkomme. Das ist bloß ein kleines Dorf. Was willst du da schon, Junge? Bleib besser hier und schlage dich durch, wie du es schon immer getan hast. Ich kann dich nicht brauchen. Lebe wohl!« Mit diesen Worten drehte sich Everard um und verließ den Bretterverschlag.
    Kuno blieb verdutzt zurück. Er schüttelte verwirrt den Kopf. Warum hatte der Geistliche seine Pläne so plötzlich geändert? Und was sollte nun aus ihm werden? In den letzten Tagen war der Gedanke, in die Ferne zu reisen, immer weiter in seinem Kopf gereift, und er hatte die anstehende Veränderung in seinem Leben begrüßt. Und jetzt sollte das alles vorbei sein? Entmutigt ließ er sich wieder auf seinen harten Schlafplatz fallen und wickelte sich in seinen Mantel ein. Irgendwann war er wieder eingenickt, bis ein lautes Poltern ihn weckte.
    »Sieh mal einer an, wen haben wir denn da erwischt!«, erklang es rau.
    »Kuno, der Geschickte«, stellte eine andere Stimme fest und entblößte eine Reihe erstaunlich guter Zähne.
    Es waren zwei Diebe, die Kuno nur flüchtig kannte. Doch das, was er von ihnen wusste, reichte ihm aus, um zu entscheiden, dass er die Gesellschaft der beiden meiden sollte. »Was wollt ihr von mir?«
    »Wir wollen unseren Anteil, sonst nichts!«, erwiderte der Größere.
    »Was für einen Anteil? Ich verstehe nicht, wovon ihr sprecht.«
    Auf einmal zückte der Kleinere ein glänzendes Messer, das eindeutig Diebesgut war, und sagte: »Dann werde ich mal deutlicher. Uns ist zu Ohren gekommen, dass du vor Kurzem reiche Beute gemacht hast. Wir haben nichts davon abbekommen, deshalb suchen wir dich schon überall.«
    Nun verstand Kuno zwei Dinge: erstens, was die beiden meinten, und zweitens, dass er in ernsthafter Gefahr war. »Hört mir zu, die Beute ist weg, ich habe nichts mehr. Ich habe alles aufgeteilt, doch auch wenn es ein guter Fang war, besaß der Pilger dennoch nicht genügend Münzen, um alle Diebe Kölns damit zu versorgen. Ihr wisst doch, wie das ist, manchmal ist man zur falschen Zeit am falschen Ort und manchmal ist es anders herum …!« Kuno drückte sich an der Wand in seinem Rücken hoch. Hätten die beiden Männer nicht den Ausgang versperrt, wäre er einfach losgerannt, doch so standen seine Chancen schlecht.
    »Du hast also nichts mehr?«, fragte der Größere nun bedrohlich leise und verengte seine Augen zu schmalen Schlitzen.
    »Nein, keine einzige Münze!«
    »Und was ist mit deinem Anteil?«
    »Auch der ist bereits fort. Wie gesagt, ihr kommt zu spät.«
    »Das ist doch eine Lüge!«, schrie der Kleinere mit dem Messer in der Faust. »Ich schneide dir deine lügnerische Zunge raus, wenn du uns nicht sofort gibst, wonach wir verlangen.«
    Kuno brach der Schweiß aus. Er musste sich etwas einfallen lassen, wenn er hier lebend herauskommen wollte. Drum ließ er seinen Blick in eine Ecke der Hütte schweifen, und zwar so auffällig, dass es verdächtig wirkte.
    »Was starrst du da so hin?«, fragte der Größere, der gleich darauf seinen Gefährten anstieß. »Los, sieh in der Ecke hinter den Brettern nach.«
    Der Kleinere gehorchte und warf sich mit gierigem Gesicht auf den Boden.
    Das war Kunos Gelegenheit. Wenigstens einen von ihnen hatte er ablenken können. Blitzschnell stieß er sich von der Wand ab und rammte den Größeren mit der Schulter, sodass dieser zu Boden ging und sich hart den Kopf anschlug. Wie der Wind schoss er dann über den Mann hinweg aus dem Ausgang und rannte um sein Leben.
    Kuno wusste, er musste verschwinden – nicht nur aus dem Bretterverschlag, sondern aus Köln! Sein bislang größter Diebstahl wurde mehr und mehr zum Fluch. Er musste den Geistlichen finden. Ganz egal, wie klein dieses Sandstedt auch war, dort wollte er seinetwegen in Zukunft leben und hart und ehrlich arbeiten, wenn man ihm nur nicht mehr nach dem Leben trachtete. Er hatte es so satt, sich mit anderen Dieben rumzuschlagen!
    Während er rannte, fragte Kuno sich, wohin Vater Everard gegangen sein konnte? Er hatte keine Ahnung, wo Friesland war – ob im Süden, im Norden, im Westen oder Osten. Und weil er das nicht wusste, konnte er auch nicht wissen, aus welcher der zwölf Torburgen er die Stadt verlassen wollte. Wie sollte er den Geistlichen finden, der schon vor einiger Zeit aufgebrochen war? Da ihm keine Zeit blieb,

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