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Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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schließlich seinen Entschluss verlauten: »Wenn es Euch mit dem Überlauf tatsächlich ernst ist, dann beweist es mir, indem Ihr vorerst für mich auskundschaftet, was mein Vetter gegen mich im Schilde führt. Ich will alles wissen, was Ihr erfahren könnt. Berichtet es mir, und erlangt mein Vertrauen, und ich werde mich erkenntlich zeigen und Euch zu gegebener Zeit in meine Dienste nehmen.«
    Eccard legte die Hand auf sein Herz und sprach: »Ihr werdet es nicht bereuen, mein Fürst!«
    »Das wird sich zeigen, Ritter, doch so lange gebt Eure Verbundenheit mir gegenüber nicht preis – koste es, was es wolle!«
    »Verlasst Euch darauf!« Nach einer Verbeugung in Richtung des Schauenburgers, wendete Eccard sein Pferd Richtung Wald. Er musste zurück zu Ulrich, auch wenn es ihn eigentlich nicht scherte, was mit dem groben Hünen geschehen war.
    Dann jedoch ging alles ganz schnell! Genau vor Kylion – der so furchtbar erschrak, dass er einen Satz zur Seite machte – schoss plötzlich ein mächtiger Eber aus dem Geäst. Direkt dahinter folgte laut bellend die Bracken-Meute Johanns II., die jedoch mit nur einem Pfiff aus der Pfeife des Hundeführers zum Stehen gebracht wurde.
    Walthers Pferd scheute so heftig, dass dieser vom Rücken seiner Stute fiel.
    Alles war in Aufregung, doch niemand nahm den Blick von der Beute.
    Der Keiler war sichtlich erschöpft, doch er war wütend. Das Tier konnte nicht fliehen. Umringt von den Reitern, der Meute und den nun herannahenden Gefolgsleuten des Grafen, drehte sich der Eber in der Mitte der Lichtung um und starrte seine Feinde mit seinen kleinen Augen an. Kampfeslustig scharrte er mit den Klauen. Er war bereit, seine letzte Schlacht zu schlagen.
    Der Träger der Saufeder stand schon in Position und hielt die Stoßklinge mit dem Querstück an der Spitze, das das zu tiefe Eindringen verhindern sollte, in die Höhe. Jetzt konnte Graf Johann den rechten Moment wählen, wann er die Klinge greifen und dem Keiler entgegengaloppieren wollte, um ihn zu töten. Dieser Stoß gebührte ihm allein.
    Doch in jenem Moment kam Gerhard II. mit Marquardus aus dem Dickicht geritten, der seinen Herrn wegen dessen Blindheit auf Schritt und Tritt begleitete. Auch sie hatte das Gebell der Hunde angelockt.
    Marquardus’ Blick fiel zuerst auf Eccard, der, inmitten des feindlichen Gefolges, natürlich ein eigenartiges Bild abgab.
    Eccard blickte zurück und bekam einen Kloß im Hals. Er war sich bewusst, dass seine Anwesenheit Fragen aufwarf. Er musste etwas tun, um jeden Verdacht von sich zu nehmen; und zwar jetzt sofort. Dann kamen ihm die Worte von Graf Johann in den Kopf: … solange gebt Eure Verbundenheit mir gegenüber nicht preis – koste es, was es wolle! Eccard handelte ohne weiter nachzudenken. Er hoffte inständig, dass das damit auch gemeint war, und gab Kylion unsanft die Sporen. Jetzt entschied sich sein Schicksal. Entweder schaufelte er sich gerade sein eigenes Grab oder aber sicherte sich mit der kommenden Dreistigkeit das Vertrauen seines zukünftigen Herrn. Im fliegenden Galopp stürmte er auf den Träger der Saufeder zu, entriss sie ihm mit einem Ruck und kam somit Graf Johann II. zuvor, der gerade nach der Klinge greifen wollte. Mit der Feder in der Hand wendete Eccard seinen Hengst und hob den Spieß über seinen Kopf. Er holte mit aller Kraft aus und ließ los.
    Der Eber ging unter lautem Quieken zu Boden, zuckte noch ein paar Mal, und starb wenig später an Ort und Stelle.
    Dann begann es zu schneien.

2
    Schnell hatte Everard festgestellt, dass es, wenigstens einerseits, tatsächlich ein Vorteil war, den diebischen Kuno an seiner Seite zu wissen. Er kannte jeden noch so versteckten Winkel in der Stadt und fand immer eine Stelle, an der sie ein Feuer machen konnten. Zwar waren die Schlafplätze, die er ihnen suchte, immer kalt, doch sie waren trocken und geschützt. Damit hörte das Erfüllen seiner Versprechen aber leider auch schon auf! Tage nach ihrem ungewollten Kennenlernen hatte der Langfinger gerademal so viele Münzen zusammenstehlen können, dass sie beide nicht verhungerten – doch waren es eindeutig zu wenig, um Köln guten Gewissens Richtung Rom zu verlassen.
    Everard war der Verzweiflung nahe. Was sollte er nur tun? Er hatte einen Eid geleistet, ohne dessen Erfüllung er sich weder in Hamburg noch bei Graf Gerhard II. blicken zu lassen brauchte. Er wäre entweder des Todes oder würde erneut Bekanntschaft mit einem Verlies machen – was er unbedingt vermeiden

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