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Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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hatte von all dem nichts mitbekommen. Noch immer galoppierte er auf Kylion den Geräuschen entgegen und schaute nicht zurück. Immer wieder brachte er seinen Hengst dazu, in einen neuen, kleinen Trampelpfad einzuscheren. So durchquerten sie das Dickicht, bis vollkommen unerwartet vor ihnen eine Lichtung auftauchte. Eccard zügelte seinen Hengst, bis dieser stillstand. Dann lauschte er. Aus welcher Richtung kam das Bellen? Erst als er eine ganze Weile so dastand, fiel es ihm auf. Wo war Ulrich? Eben noch hatte er sich hinter ihm befunden. Eccard drehte sich in alle Richtungen, doch von dem Ritter war nichts zu sehen. Seltsam. Ein Rascheln auf der anderen Seite der kleinen Lichtung ließ ihn schließlich aufhorchen. Das Rascheln wurde lauter, und plötzlich bewegten sich die Zweige. »Ulrich? Seid Ihr das?«
    »Nein!«, ertönte es nur. Und zu Eccards großem Erstaunen kamen da Walther und Graf Johann II. zwischen den Bäumen hervor. Bloß drei Pferdelängen von ihm entfernt blieben sie stehen.
    Den Blicken von Fürst und Spielmann war zu entnehmen, dass sie nicht minder erstaunt über die Begegnung waren. Auch sie waren den Rufen und dem Bellen gefolgt, welches unaufhörlich durch den Wald scholl.
    Johann II. war der Erste, der das Wort ergriff. »Sieh einer an. Scheinbar sind wir dem Gefolge meines Vetters näher als meinem eigenen. Bleibt nur zu hoffen, dass es sich um meine Meute handelt, die ich höre. Einer von uns ist auf jeden Fall auf der falschen Fährte, Ritter Ribe. Und ich schlage vor, Ihr kehrt um.«
    Eccard verstand natürlich, dass der Graf ihm nicht wirklich einen Vorschlag machte, sondern ihn eigentlich aufforderte zu verschwinden, doch er brauchte nicht lang, um die Einmaligkeit dieser Gelegenheit zu erkennen. Er sah zu Walther, der ihm unauffällig zunickte. Jetzt oder nie!
    »Auf ein Wort, Graf Johann. Ich bitte Euch …!«
    Der Schauenburger hielt inne. »Was soll das bedeuten, Ritter? Ich wüsste nicht, was es zwischen uns zu bereden gäbe. Macht Platz!«
    »Herr, auch ich bitte Euch!«, sprach Walther mit einem Mal. »Hört Eccard Ribe an. Möglicherweise könnte das, was er zu sagen hat, für Euch von Interesse sein.«
    Der Fürst sah seinen Spielmann an. Er war nicht dumm und verstand sofort, dass Walther offenbar wusste, was der Ritter zu sagen hatte. Doch der Sinn stand ihm mehr nach der Jagd, denn nach Plaudereien. An Eccard gerichtet sagte er: »Warum sollte ich Euch zuhören? Ihr seid der Gefolgsmann meines Vetters, und wir befinden uns nicht in friedlicher Lage, wie damals zu Zeiten des Turniers.«
    »Lasst mich die Worte Eurer Gemahlin benutzen, die sie mir sagte, als ich Eure Burg verließ. Es gibt Dinge, die unterliegen der gottgewollten Ordnung, und es gibt Dinge, die sich ändern lassen .« Eccard erkannte, dass der Graf ins Grübeln kam, so ritt er näher an ihn heran. »Herr, ich würde gern mehr Zeit haben, um Euch von meinen guten Absichten zu überzeugen, doch einer der Ritter meines Herrn kann jeden Moment hier auftauchen. Drum hoffe ich einfach, dass Ihr mich allein aus dem Grunde anhört, weil Walther von Sandstedt und ich miteinander verschwägert sind und er mir vertraut.« Eccard wies mit dem Kinn auf Walther, wartete jedoch nicht auf eine Antwort, sondern sprach schnell weiter. »Seit geraumer Zeit schon hadere ich mit meiner Verbundenheit zu Graf Gerhard II., und nun bin ich mir sicher. Ich würde gerne in Eure Dienste treten, sofern Ihr mich denn wollt.« Eccard schwieg, doch sein Herz klopfte ihm bis zum Hals. So lang er diesen Gedanken auch schon in sich reifen ließ, ihn tatsächlich auszusprechen kostete Mut. Er hatte sich dem Feind seines Herrn offenbart und konnte nun bloß hoffen, dass dieser jene Offenheit nicht ausnutzte und ihn verriet.
    »Wie kann ich Euch glauben? Ihr könntet genauso gut ein Spitzel meines Vetters sein.«
    Wieder mischte sich Walther ein, um seinem Freund beizustehen. »Herr, wie Ihr wisst, sind Ritter Eccards Weib und mein Weib Schwestern. Ich kenne ihn gut und verbürge mich für ihn – auch wenn er noch der falschen Seite angehört.«
    Dann sagte Eccard so glaubwürdig er nur konnte: »Ihr habt mein Ehrenwort!«
    »Nun«, zögerte der Graf weiterhin. »Das Ehrenwort eines Feindes ist ebenso viel wert wie die Lüge eines Freundes.« Johann II. schaute seinen Spielmann an und dann Eccard Ribe. Nach einem weiteren, quälenden Moment, in dem Eccard innerlich betete, dass Ulrich nicht plötzlich hinter ihm erscheinen möge, ließ Johann II.

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