Das Vermächtnis des Rings
trinkt, selber in einen Drachen zu verwandeln. Tatsache aber ist, dass das Blut eines toten Drachen, den man nicht in einem ehrenvollen Kampf getötet hat, eine besonders üble Wirkung auf denjenigen hat, der damit in Berührung kommt. Etwas von dem gierigen Geist des Drachen geht auf den Menschen über. Je länger das Blut auf seiner Haut klebt, desto gieriger und unvernünftiger wird er. Und Jeremy bekam das Drachenblut bei seiner unschönen Arbeit schwallweise ab. Schwarz und übel riechend (schließlich war der Drache schon mehrere Wochen tot) durchtränkte es seine Kleider und legte sich wie eine zweite Haut über seine eigene.
Endlich hatte er dem toten Drachen genügend Trophäen abgerungen, steckte Zungenspalter in seine Scheide und drehte sich zu Brunophylax um.
»Ich bin fertig«, sagte er. »Du kannst wieder herschauen.«
Brunophylax öffnete ein Auge. »Du könntest das Zeug wenigstens einwickeln«, sagte er und betrachtete wehmütig den besudelten Vorplatz seines neuen Zuhauses. »Dort hinten liegt ein alter Sack.
Geh zur Seite«, fügte er dann hinzu und holte tief Luft. Eine gewaltige Stichflamme schoss aus seinen Nüstern und setzte den ausgedörrten Leichnam seines Artgenossen in Brand.
»Bist du wahnsinnig!«, schrie Jeremy, der Mühe hatte, Zungenspalter in Zaum zu halten, das wieder in seine Hand gesprungen war und wie verrückt hin und her tanzte.
»Muss den alten Knaben doch irgendwie beiseite schaffen«, brummte Brunophylax und äugte zu Zungenspalter hinüber. »Das Schwert soll sich nicht so hysterisch gebärden, das hatte nichts mit dir zu tun. Lass uns hier verschwinden.«
Jeremy ließ sich das nicht zwei Mal sagen. Den Sack mit den Trophäen und Zungenspalter in der Hand, schwang er sich auf Brunophylax’ Rücken. Der Rauch des verbrennenden Drachens biss in seine Augen und brachte sie zum Tränen.
Hustend und spuckend tastete er nach den Edelsteinen in seiner Tasche und fand sie auf einmal überhaupt nicht mehr so groß. Ja, sie kamen ihm sogar ziemlich klein vor, was eine Folge des Drachenblutes auf seiner Haut war. Plötzlich fühlte er sich von dem Drachen übervorteilt und betrogen.
»Was sagtest du da eben von einem Ring, der unsichtbar macht?«, fragte er, und Bruno spürte, wie sich Zungenspalters scharfe Spitze durch die Schuppen seines Nackens bohrte.
»Nichts von Bedeutung«, antwortete er unbehaglich. »Nur so eine alberne Legende. Ich weiß auch gar nicht, wo das olle Ding ist. Ach, sieh nur, die Sterne sind herausgekommen.«
Aber Jeremy ließ sich nicht ablenken. Er dachte daran, was man mit einem Ring, der einen unsichtbar machte, wohl alles anstellen konnte. »Ich würde in Gilesburys Schatzkammern schleichen und alles zurückholen können, was sein Vater Berryfield abgeluchst hat«, sagte er leise zu sich selber. »Ich würde der reichste Mann der Welt werden. Und der mächtigste…«
»Wie gesagt, diesen Ring zu finden ist unwahrscheinlicher, als auf eine Nadel im Heuhaufen zu stoßen. Aber es ist ja auch nur eine Legende. Ein Märchen, nichts weiter«, sagte Bruno und setzte zum Landeanflug vor seiner alten Höhle an.
Jeremy stieg von seinem Rücken. Während er den Sack mit den Drachentrophäen hinter dem Sattel seines Pferdes festband, murmelte er unablässig unverständliches Zeug vor sich hin, in dem die Worte ›reich‹, ›mächtig‹ und ›unbesiegbar‹ vorkamen. Bruno ahnte nichts Gutes.
»Tja, dann heißt es jetzt wohl Abschied nehmen«, sagte er dennoch aufgeräumt. »Ich könnte dich am Fuß der Berge absetzen, dann musst du das Zeug nicht so weit schleppen.«
»Nein, danke«, entgegnete Jeremy kalt. »Ich möchte noch mit dir in deine Höhle und diesen Ring mitnehmen.«
»Das ist das Drachenblut, weißt du«, sagte Bruno. »Du solltest es abwaschen, sonst kannst du nicht mehr klar denken.«
»Ich kann sehr wohl klar denken«, erwiderte Jeremy, in dessen Kopf sich alles drehte. »Mir steht glasklar vor Augen, was ein solcher Ring wert ist. Mehr als alles Gold und Silber in dieser Höhle.«
»Vielleicht solltest du erstmal eine Nacht darüber schlafen«, versuchte es Bruno noch einmal.
Jeremy, der sich neben dem Ring nichts sehnlicher wünschte, als einen gemütlichen Platz zum Schlafen, schüttelte den Kopf. Zungenspalter zückend, trieb er Bruno zum Eingang.
»Wie gesagt, ich wüsste ja gar nicht, wo ich zu suchen anfangen müsste«, sagte Bruno, fest entschlossen, den Ring nicht herzugeben. Nicht auszudenken, was geschah, wenn Jeremy
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