Das Vermächtnis des Rings
auch noch unsichtbar wurde, jetzt, wo er vom gierigen Geist des toten Drachen besessen war…
»Wir suchen die Höhle systematisch ab«, sagte Jeremy, dessen Augen vor Eifer ganz dunkel geworden waren. »Mach Licht!«
Widerwillig entzündete Bruno ein paar Fackeln und fing an, die Haufen voller Schmuck mit seinen Krallen zu zerteilen.
»Könnte jeder sein«, log er. »Habe keine Ahnung mehr, wie das Ding aussah.«
In Wahrheit wusste er es noch sehr genau und hatte auch eine ziemlich genaue Vorstellung von seinem Aufenthaltsort. Voller Grimm sah er zu, wie Jeremy sich jeden Ring zur Probe überzog und ihn in eine Ecke warf, wenn er nicht unsichtbar wurde. Die Müdigkeit hatte sich um ihn gelegt wie ein bleierner Mantel, aber er war von der Suche nach dem Ring so besessen, dass er weitermachte. Einen Ring nach dem anderen stülpte er sich über, und so arbeitete er sich von Haufen zu Haufen. Zungenspalter blieb wachsam in seiner Hand, jede Bewegung des Drachen verfolgend.
Dennoch entging ihnen, wie der Drache mit einer trägen, unauffälligen Verschiebung der Vordertatze einen kleinen Silberring unter seinen Körper schob, sich fest darauf setzte und erleichtert aufatmete. Jetzt konnte er Jeremys Suche gelassen verfolgen.
Stunde um Stunde verging, und Bruno konnte seine Augen vor Müdigkeit kaum noch offen halten. Jeremys Ausdauer war ihm ein Rätsel, wo er doch vor Erschöpfung schon hin- und herschwankte wie ein Fahnenmast im Orkan.
»Ach, jetzt fällt es mir wieder ein«, sagte Bruno schließlich, als er einsah, dass Jeremy niemals verschwinden und ihn alleine lassen würde. »Den Ring habe ich damals für den Diamanten von Ozram eingetauscht. Ich wollte die Zwerge, die den Diamant verkauften, bei der Übergabe auffressen, aber ich konnte es nicht, weil sie sich unsichtbar gemacht hatten… wie hatte ich das nur vergessen können!«
Jeremy feuerte den Ring, den er gerade ausprobiert hatte, zornig in die Ecke. »Warum sagst du das nicht früher?«
Bruno zuckte mit einem Flügel und war überrascht, dass Jeremy seine Geschichte zu glauben schien. »Ich hatte es vergessen, ehrlich. Es ist immerhin zweihundertunddreißig Jahre her.«
»Wenn das so ist«, Jeremy versetzte einem weiteren Ring einen wütenden Tritt, »wenn das so ist, dann ist es nur recht und billig, wenn ich mir diesen Stein mitnehme.« Er zeigte auf den Diamanten von Ozram.
Bruno war sogleich wieder hellwach. »Das kannst du nicht tun, du hast es versprochen.«
»Versprochen, versprochen«, wiederholte Jeremy spöttisch und ließ Zungenspalter vor Brunos Nase herumtanzen, während er mit der anderen Hand nach dem Diamanten von Ozram griff und ihn sich in die Tasche steckte.
»Nicht den Diamanten! Nicht den Diamanten«, rief Bruno, aber er wusste, dass es zwecklos war, mit jemandem zu feilschen, der über und über mit dem schwarzen Blut eines toten Drachen bedeckt war. Im Grunde konnte er froh sein, dass dieser veränderte Jeremy nicht auf die Idee kam, ihm doch noch den Kopf abzuschlagen, um ihm auch noch den allerletzten Goldtaler abzuknöpfen.
Und während Jeremy sich auf sein Pferd hievte und davonritt, trollte Bruno sich in seine Höhle, um eine Runde zu schlafen. Danach würde er weitersehen. Seinen Diamanten gab er jedenfalls so schnell nicht auf.
Jeremy hatte sich mit allerletzter Kraft auf sein Pferd gezogen, nachdem er den Diamanten in seiner Satteltasche verstaut hatte. Unzufrieden, weil er den Ring nicht gefunden hatte, und fest entschlossen, wiederzukommen, um Bruno um weitere Schätze zu erleichtern, machte er sich auf den Rückweg. Sehr weit kam er allerdings nicht. Der Morgen dämmerte schon herauf, als er den Rand des Gebirges erreichte, wo er sich gleich neben dem Weg auf die Erde fallen ließ, um in einen tiefen, traumlosen Schlaf zu fallen.
So fanden ihn Guy von Gilesbury und seine Leute.
»Sieh mal einer an«, rief Guy aufgeräumt. »Unser Held ist wohl vom Pferd gefallen, mitten in den Matsch. Ist nicht weit gekommen auf der alten Schindmähre.«
Jeremy rührte sich nicht. Er schnarchte nur leise und zuckte im Schlaf mit den Lidern.
»He, mutiger Drachenkämpfer«, höhnte Guy. »Du bist ja schmutziger als unsere Sau zu Hause, wenn sie sich im Schlamm suhlt.«
Jeremy rührte sich noch immer nicht. Guy stieg vom Pferd und stieß ihn mit dem Fuß in die Rippen.
Aber Jeremy drehte sich nur auf die andere Seite und schlief einfach weiter.
»Nicht zu fassen«, sagte Guy. »Wir könnten ihm ohne weiteres
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