Das Vermächtnis des Rings
mich überhaupt nicht entsinnen konnte, seit wann ich zur Truppe des Schillernden gehörte. Und wenn wir nicht gegen Vampire gekämpft hatten, sondern gegen Alben – was hatte ich dann in dieser Zeit getan – lastete nun Schuld auf mir? Diese Frage legte sich dräuend über mein Denken. Welche Gesetze der Götter hatte ich gebrochen? Dringender als bisher verlangte mich nach Reinigung – am liebsten hätte ich mich unverzüglich in einen Teich geworfen und wenigstens meinen Leib vom Schmutz befreit. Was ich aber auf meine Seele geladen hatte…
»Wir sollten aufbrechen«, flüsterte Enea mir zu.
Ich musste ihr zustimmen: Die Menschen hatten das Schlachtfeld verlassen, und bald kamen die… – jene, die ich bisher als Alben gekannt hatte, auf die Walstatt. Was sie dort wollten, das mochte ich mir nun gar nicht ausmalen. Etwas Gutes jedenfalls konnte es wohl kaum sein.
Wir rafften unsere geringe Habe zusammen und hasteten geduckt im Schutze der einbrechenden Dunkelheit davon. Beide wussten wir, wo das Heer des Schillernden lagerte, und entfernten uns in die entgegengesetzte Richtung. Wir achteten darauf, möglichst leise zu sein und jede Deckung auszunutzen. An einer Stelle bückte sich die Albin im hohen Gras und hob ein Langschwert auf, das einem Toten gehört hatte und von den Plünderern übersehen worden war.
Bis ich ihr begegnete, hatte ich mich immer meiner Fähigkeit gerühmt, mich besonders leise bewegen zu können, doch Eneas Leichtfüßigkeit trieb mir fast die Schamesröte ins Gesicht. In den Stadtstaaten des Südens hätte sie es damit mühelos zur Meisterdiebin bringen können, und die Konkurrenz dort ist groß.
Ungehindert erreichten wir den Rand des Schlachtfelds und stießen an eine Stelle, wo eine Gruppe von Alben sich zu einem letzten Kampf gestellt hatte und von Menschen oder – anderen niedergemacht worden war.
Dort verließ auch uns das Glück: Zwischen den Leichen hockten drei ›Vampirschnüffler‹ und sprangen uns mit gezückten Säbeln entgegen. Ich zwang mich, sie so genau zu betrachten, wie ich es im schwindenden Licht konnte: gekrümmte Gestalten mit einer graugrünen, ölig schimmernden Haut, die sich im Gesicht zu einem Gespinst aus unzähligen Runzeln faltete. Lachfältchen waren das nicht! In breiten Mäulern glänzten lange gelbliche Zähne; die Wesen hatten schwarze Augen, in denen ein rötliches Funkeln lag, als erhellte sie von innen eine Flamme. Kurze Hörner sprossen ihnen unter dem Helmrand aus der Stirn. Ihre Arme wirkten zu kurz. Die Finger, in denen sie ihre krummen Schwerter hielten, hatten spitze schwarze Nägel, die ich schon vorher bemerkt hatte. Lange Lederwämser, mit dunklen Eisenknöpfen beschlagen, schützten ihre Leiber; die Füße waren mit breiten Lederriemen umwickelt; vorn schauten lange, gekrümmte Zehennägel hervor.
Grinsend und ohne ein Wort zu sagen, schwärmten sie zu einem Halbkreis aus und griffen gleichzeitig an. Ich hatte längere Arme als sie, und um diesen Vorteil zu nutzen, fasste ich das Schwert mit beiden Händen, holte weit aus und schwang es gegen den Hals des rechten Angreifers, der seine Waffe hoch erhoben hatte. Meine Klinge durchtrennte seinen Schwertarm und traf ihn seitlich in den Hals; der Hieb trennte ihm halb den Kopf ab. Er stieß ein leises Gurgeln aus und starb. Im nächsten Moment sprang ich, ohne den Schwertgriff loszulassen, einen Schritt zurück und wich dem übereilten Hieb des mittleren Feindes aus, während Eneas Schwert klirrend die Klinge des dritten Angreifers parierte. Ich fasste Fuß, fintete und trieb dem Vampirschnüffler die Klinge in die Brust. Er quietschte, ließ sein Schwert fallen und trat nach mir. Im Sterben schwand ihm die Kraft, und so glitt sein Tritt von meinem Lederwams ab, und er riss mir nur mit den Krallen den Oberschenkel auf. Ich zerrte am Schwert, um die Klinge aus dem Leichnam zu entfernen, denn noch ein dritter Angreifer lauerte, doch im nächsten Augenblick flog sein Kopf durch die Luft; er zog eine dampfende Spur schwarzen Blutes hinter sich her.
Enea hatte keinen Kratzer abbekommen. Ich stieß mein blutiges Schwert in den Boden und schaute nach meiner Wunde. Tief war sie nicht, nur bluteten die beiden gleichlaufenden Risse heftig. Enea träufelte einige der verbliebenen Balsamtropfen darauf, und die Blutung verebbte.
»Um die Wunde zu schließen, haben wir nicht genug übrig«, sagte die Albin, »aber brandig wird der Schnitt nicht mehr. Das ist nämlich die große Gefahr, wenn man
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