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Das Vermächtnis des Rings

Das Vermächtnis des Rings

Titel: Das Vermächtnis des Rings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Bauer
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uns im Leben Rechenschaft für unsere Taten, nicht erst nach dem Tod. Deshalb bist du in dieser Hinsicht sicher vor mir. Und deshalb weiß ich nicht, ob ich weiterleben kann mit dem, was ich getan habe.«
    »Wir müssen uns beeilen«, sagte sie, ohne mich anzusehen. »Wir wissen nicht, ob wir verfolgt werden. Und vielleicht gibt es für dich Gelegenheit zur Läuterung.«
     
     
    Nicht lange, nachdem wir unsere Rast beendet und uns wieder auf den Weg gemacht hatten, bemerkten wir unsere Verfolger.
    Im Licht des zunehmenden Mondes, der von einem wolkenlosen Himmel schien, erklommen wir einen Hügel und blieben kurz stehen, um uns umzusehen.
    Auf der Anhöhe hinter uns stand ein Wäldchen, vor dem sich gerade, als wir hinsahen, etwas bewegte. Ich dachte an Wild, doch Enea keuchte leise auf und duckte sich zu Boden. Ohne nachzudenken, warf ich mich neben sie.
    »Was ist?«, fragte ich. Wie ich mich meiner stumpfen Sinne schämte! Alben konnten sich scheint’s nicht nur leiser bewegen als wir Menschen, sie nahmen wohl auch erheblich mehr wahr.
    »Dunkelkrieger«, wisperte sie mir zu. »Ich fürchte, sie haben unsere Witterung aufgenommen.«
    »Wie viele?«
    »Zehn, höchstens fünfzehn. Sie kommen rasch näher.«
    »Auflauern können wir ihnen nicht, das wäre unser Tod. Was meinst du, wie weit ist es bis zu euren Linien?«
    »Unser Feldlager ist nicht mehr weit. Wir können es vor Tagesanbruch erreichen. Wenn wir Glück haben, begegnen wir vorher einer Patrouille.«
    Enea kroch in die Deckung eines Busches, richtete sich in seinem Schutze auf und begann, die Böschung hinunterzueilen. Ich warf einen letzten Blick auf die Dunkelkrieger – nun, da sie aus dem Schatten des Gehölzes hervorgetreten waren, konnte auch ich sie deutlich erkennen. Sie eilten entschlossen den Hang hinab, genau auf unserer Spur. Ich schloss mich Enea an.
    Am Fuße des Hügels rann ein schmales Flüsschen.
    »Wenn es Hunde wären, die uns folgten, könnten wir ihnen hier entkommen«, sagte Enea. »Dunkelkrieger sind zu schlau dafür. Sie wissen, wohin wir wollen. Außerdem würden sie sich teilen.«
    Ich nickte. »Lass uns den direkten Weg nehmen. Sie sind uns zu dicht auf den Fersen. Mag sein, dass du unbemerkt durchs Wasser eilen kannst, aber mein Platschen überhören sie auf keinen Fall.«
    Rasch durchquerten wir das Wasser und stiegen hastig die gegenüberliegende Böschung hinauf. Wären die Hänge dort weniger sanft gewesen, hätte es nur einen Engpass gegeben, an dem die Dunkelkrieger einzeln hintereinander gehen mussten, ich hätte mich ihnen in den Weg gestellt, einige von ihnen getötet und Enea genügend Vorsprung verschafft, um ihr Heerlager zu erreichen. Das war ich ihr schuldig, denn sie hatte mich wieder sehend gemacht, sodass ich offenen Auges in den Tod gehen konnte – einen besseren Tod, als ich ihn vielleicht verdient hatte.
    Schweigend flohen wir, so schnell wir konnten. Währenddessen sagte ich mir unaufhörlich, dass Enea ohne mich vermutlich schneller vorankäme, denn sie bewegte sich in finstrer Nacht, als wäre helllichter Tag. Dichtauf folgte ich ihr und bemühte mich, in ihre Spur zu treten, was mir erlaubte, schneller zu laufen, als es mir sonst bei Nacht im Wald möglich gewesen wäre. Ich bemerkte aber, dass Enea meinetwegen absichtlich langsamer ging – und ich stürzte trotz all meiner Vorsicht und des mir gebahnten Weges mehrmals im Lauf. So sehr ich mich auch bemühte, geräuschlos abzurollen und jeden Schmerzensschrei zu unterdrücken, knisternde Zweige waren jedes Mal zu hören, und einmal grunzte ich sogar. Bald wurde hinter uns triumphierendes Gejohl laut; dann brutale Schritte, die weit durch den Wald hallten und davon kündeten, dass unsere Verfolger sich keineswegs die Mühe machten, ihre Anwesenheit vor uns geheim zu halten.
    Schneller und hastiger eilten wir, und es kam, wie es kommen musste: Ich stolperte über eine Baumwurzel und stürzte schwer. Es krachte, und unwillkürlich entfuhr mir ein Ächzen. Das triumphierende Gejohle erscholl nun ganz nah, und ich warf mich herum, zog noch im Liegen das Schwert und versuchte, mich mit dem Rücken an einem Baumstamm wieder aufzurichten. Da brach der erste Dunkelkrieger aus dem Unterholz, und diesmal hatte ich keinen mickrigen ›Vampirschnüffler‹ vor mir, sondern einen ausgewachsenen Schlagetot, der mich um einen Kopf überragt hätte, wenn er denn aufrecht gegangen wäre. Ansonsten sah er aus wie seine kleinen Vettern und hatte ebenfalls zu kurze

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