Das Vermächtnis des Rings
Arme. Im vollen Lauf stürzte er sich auf mich und zog im Sprung den krummen Dolch – mein Schwert hatte er übersehen oder beachtete es nicht in seiner Blutgier. Ich hielt es dem Abys-Khel entgegen; er spießte sich selbst daran auf, prallte mit Wucht gegen mich und riss mich im Sterben mit zu Boden. Sein Todesschrei und das zornige Kreischen seiner nahenden Genossen hätten mir das Blut in den Adern gefrieren lassen, wäre ich nicht selbst vom Kampfesfieber gepackt gewesen; die Wucht des Sterbenden aber riss mir das Schwert aus der Hand. Ich zückte den Dolch und sprang auf.
Noch einen von ihnen würde ich mit in den Tod nehmen und lachend in den Saal der Helden einkehren…
Ein Hitzeschwall brach über mich herein. Ein Bogen aus Feuer spannte sich über mir. Gleißende Helligkeit stach mir in die Augen, und obwohl ich sie sofort zukniff, waberten mir Geistersonnen vor dem Gesicht. Mein Haar und mein Bart knisterten, und beißender Gestank stieg mir in die Nase. Meine Wangen und meine Stirn glühten. Ich krümmte mich zusammen, der Dolch war meiner Hand entfallen, und alles, was ich in diesem Moment dachte, war: Das hat keine Laus überlebt!
Ein Tosen brauste durch die Luft, und aus rauen Kehlen erhob sich panisches Schmerzgeheul. Eine Hand packte mich bei der Schulter und zerrte an mir; blind rappelte ich mich auf, tastete benommen umher und spürte, dass man mich in eine Richtung zog. Hinter mir prasselten Flammen; fast orientierungslos gehorchte ich und eilte, so rasch ich es wagte. In meinen Ohren rauschte es, als stünde ich am Meer, und mein glühendes Gesicht war dankbar für den kühlen Luftzug, der darüber strich. Brandgeruch stieg mir in die Nase – der Gestank verkohlten Fleisches. Vorsichtig öffnete ich die Augen zu einem winzigen Spalt. Irrlichter waberten über die Szene, die vom Feuerschein erhellt wurde. Bis ich wieder richtig sehen konnte, würde noch eine Weile vergehen.
Wir taumelten zwischen den Bäumen hindurch, vor mir Enea, wer sonst, ich erkannte sie am Atmen. Doch je weniger es mir in den Ohren brauste und je leiser das Prasseln der brennenden Sträucher wurde, desto deutlicher hörte ich, wie schwer sie atmete – sie keuchte. Und als ich wieder etwas erkennen konnte, sah ich, wie Enea vor mir torkelte und zusammenbrach.
Erschrocken kauerte ich mich neben ihr nieder. »Enea!«
»Ich kann nicht mehr«, hauchte sie. »Das Zaubermittel, die Perle des Feuers… ich bin darin geschult, sie zu benutzen, aber das kostet so viel Kraft. Acht oder zehn Dunkelkrieger sind tot, verbrannt. Nimm mein Schwert, und lass mich hier liegen. Flieh! Sie werden sich mit mir aufhalten. Wenn du dich beeilst, entkommst du ihnen. Sonst – wehre dich. Du musst unser Lager erreichen. Das ist ganz wichtig. Sag, wer du bist und was du hinter dir hast. Denke an mich. Und jetzt – geh!«
Das stand völlig außer Frage. Ich schuldete Enea bereits so viel; ich wollte ihr nicht auch noch mein Leben verdanken. Mit dieser Bürde hätte ich nicht weiterleben können.
Ich nahm das Schwert; es passte in die Scheide an meinem Gürtel. Die Albin seufzte; ich suchte in ihrer Gürteltasche nach der Phiole und fand sie, außerdem eine in ein weiches Tuch eingeschlagene, feuerrote raue Perle. Ob das eine Feuerperle war, von der Enea gesprochen hatte? Ich steckte sie ihr zurück in die Tasche, öffnete das Fläschchen, brachte einen Tropfen davon auf meinen Finger und führte ihn in ihren Mund ein; obwohl sie so vom Balsam trank, blieb jede Wirkung aus. Hinter uns krachte ein Ast. Ich steckte mir die Phiole hastig in die Tasche und lud mir Enea auf die Schultern. Sie war leichter, als ich erwartet hatte. So schnell ich konnte, eilte ich los.
Zunächst kam ich geschwind voran und konnte wohl auch unseren Vorsprung vergrößern, denn nach dem unvermuteten Ende ihrer Kameraden folgten die restlichen Abys-Khel uns gewiss mit mehr Obacht; keinen Augenblick lang glaubte ich jedoch, dass sie die Jagd abgeblasen hätten. Enea zitterte wie Espenlaub und fühlte sich fiebrig an.
Über Stock und Stein ging die Hatz, und zweimal strauchelte ich, verstand es jedoch beide Male, im letzten Moment das Gleichgewicht zu bewahren. Beim zweiten Mal hörte ich schon Schritte im Unterholz – ich wandte mich um, erblickte undeutlich gebeugte Gestalten und nahm nun auch ihren üblen Gestank wahr: Mich allein im Wald orientieren zu müssen hatte wohl meine Sinne geschärft.
Ich legte Enea an einem Baumriesen auf den Boden und postierte mich,
Weitere Kostenlose Bücher