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Das Vermächtnis des Rings

Das Vermächtnis des Rings

Titel: Das Vermächtnis des Rings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Bauer
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Krieger weniger verhindern, dass ich floh, als vielmehr, dass jemand mir zu nahe käme.
    In dem Zelt war es behaglich. Man hatte mich in einem Zuber gewaschen, mir das Haar und den Bart gestutzt und saubere Kleidung gebracht, die offenbar keinem Toten gehört hatte, dazu einen Gürtel mit einem Dolch daran zum Zeichen, dass ich kein Gefangener sei. Außerdem lag dort der Inhalt meiner Taschen. Man trug Brot und Wildbret zu essen auf, dazu erhielt ich eine Kanne Bier. Während alledem behandelten mich die beiden Dienerinnen mit einer Distanz, die ich zunächst für Ablehnung hielt und die ich erst nach einer Weile als Scheu erkannte. Was immer Arsyn von Gartham in mir sah, es musste sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen haben, und jeder wusste darüber Bescheid – nur ich nicht.
    Immer heftigerer Unmut keimte in mir auf. Niemand wollte mir noch in die Augen schauen. Als ich aufstand und an den Eingang des Zeltes ging, stellte ich fest, dass zwei Männer mit Speeren davor Wache schoben. Wo direkter Sonnenschein die Zeltplane ein wenig durchscheinend machte, sah ich, dass an den vier Ecken des Zeltes ebenfalls Bewaffnete standen. Was hatte das nur zu bedeuten? Nichts Gutes, antwortete mir mein Gefühl. Um eine günstige Neuigkeit brauchte niemand solch ein geheimnisvolles Getue zu machen.
    Ist es überhaupt wahr, was man dir hier erzählt?, beschlich mich unversehens ein entsetzlicher Gedanke. Was, wenn alles, was du seit deinem ›Erwachen‹ erlebt hast, in Wirklichkeit eine Lüge ist, und das, was man dir als Trug erklärte, die Wahrheit? Wie willst du das feststellen?
    Ja, wie sollte ich es…
    Eine tiefe Niedergeschlagenheit überfiel mich. Ich konnte es nicht entscheiden. Es war durchaus möglich, dass ich jetzt erst in einer Lüge lebte. Wenn ich allerdings zurückdachte, dann erschien mir trotz der Lückenhaftigkeit meiner Erinnerungen die Zeit im Heer des Schillernden wie vom Nebel überdeckt, während die Jahre davor immer farbiger und lebendiger hervortraten. Jawohl, ich hatte mich schon lang nicht mehr so lebendig gefühlt. War das nicht ein sicheres Zeichen? Und warum sollte irgendjemand solche Mühen auf sich nehmen, um einen einzelnen, unbedeutenden Mann, wie ich es war, zu betören?
    Ich würde als Wahrheit nehmen, was sich mir als Wahrheit darstellte. Gab es denn auf der ganzen Welt einen einzigen Menschen, der eine andere Wahl hatte?
    Ich lehnte mich zurück und atmete erleichtert durch.
    Kurz danach trat Sylan in mein Zelt. »Enea geht es besser«, sagte er. »Sie ist noch schwach, aber in einigen Tagen kommt sie wieder zu Kräften.«
    »Was war das für ein Zauber, den sie auf die Dunkelkrieger warf?«, fragte ich. »Ist sie eine Magierin?«
    »Nein, sie ist nur in der Handhabung von Zauberwerk geschult. Die Feuerperle ist eine konzentrierte Form von Feuer, die ein mächtiger Magier herzustellen weiß.«
    »Ist so etwas nicht sehr wertvoll?«
    »O ja.«
    »Und woher hatte sie diese Feuerperle?«
    »Von Canagan, vermute ich.«
    »Wer ist Canagan?«
    »Unser Magier, ein Mensch. Er selbst hat Enea geschult.«
    »Sie lässt dich grüßen.«
    Ich bedankte mich, und bevor wir weiter an dem einen Thema vorbeireden konnten, das mich brennend interessierte und zu dem ich keine Auskunft erhalten würde, betrat ein Mann in einem versilberten Kettenhemd das Zelt. Er war ein Mensch mit einem gestutzten schwarzen Bart und wasserblauen Augen, die seine Umgebung ständig mit zwingenden Blicken bedachten.
    »Er möchte ihn sehen«, sagte er nur.
    »Komm«, sagte Sylan zu mir.
    Kurz erwog ich, mich zu sträuben und keinen Schritt zu tun, bevor man mir Auskunft erteilte, doch dann befahl ich mir noch etwas Geduld, denn vielleicht stand mir die ersehnte Offenbarung gerade bevor.
    Wir verließen das Zelt, und eskortiert von sechs Gewappneten durchquerten wir das Lager, bis wir bei einem großen Zelt anlangten. Zahlreiche Waffenträger standen dort um ein Wachfeuer, und ein Barde rezitierte, die Laute in den Händen, das Lied von König Alerichs letztem Kampf, der in diesen Landen trotz seiner Niederlage stets als größtes Vorbild für Heldenmut gegolten hat. Zumindest erfuhr ich so, dass Alerich den Vampirkönigen in der Tat unterlegen gewesen war, seine Söhne das Land aber schon nach wenigen Jahren von ihrem Joch befreiten. Während der Barde das Epos abschloss, überlegte ich kurz, woher ich eigentlich wusste, wer in diesen Landen als Held verehrt wurde. Ja, wenn ich Sagen aus dieser Gegend kannte, war ich dann

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