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Das Vermächtnis des Rings

Das Vermächtnis des Rings

Titel: Das Vermächtnis des Rings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Bauer
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hatten, und auch ein paar Zentauren und Cherubs waren zu sehen. Die Priester und Priesterinnen der zahllosen Gottheiten, denen in Runnterum gehuldigt wurde, wirkten heiterer und gelöster als gewöhnlich und nickten sogar den Magiern und Hexen, die sie sonst nach Möglichkeit mieden oder zumindest mit Nichtbeachtung straften, freundlich zu. Selbst die gestrengen Wachen vor dem Palast des Königs lächelten entspannt.
    Es war ein Frühlingstag, wie ihn Mitheynanda, die einzige Stadt des Königreiches Runnterum, schon oft erlebt hatte. In einem Hochtal des Himmelsrückengebirges tief im Süden der bekannten Welt gelegen, war Runnterum ganzjährig mit einem milden Klima gesegnet. Auch im strengsten Winter froren die Seen und Bäche nie zu, und selbst im heißesten Hochsommer wehte stets eine kühle Brise von den ewigen Gletschern des Gebirges her. Es regnete selten, aber aus den verschneiten Hängen der in den Himmel ragenden Berge stürzten das ganze Jahr über schäumende Wildbäche mit glasklarem Wasser zu Tal, tränkten die Felder, Wiesen und Auen und speisten den Türkis-See, aus dem der reißende Silberfluss entsprang.
    Bevölkert wurde das winzige Königreich von einem bunten Gemisch aus Menschen und Alten Geschöpfen aus aller Welt, die in Eintracht miteinander lebten. Von kleineren Streitereien abgesehen, herrschte in Runnterum seit vielen Generationen Frieden. Sogar die skeptischen Gesandten und die wenigen Besucher aus kriegerischen Reichen, die den langen und beschwerlichen Weg in das Gebirgstal auf sich nahmen, ließen sich schon nach kurzer Zeit von der allgemeinen Friedfertigkeit anstecken. Und wenn der Frühling das immergrüne Tal mit seiner verschwenderischen Farbenpracht und seinen Düften verzauberte, verstummte selbst das unbedeutende Gezänk über religiöse Differenzen zwischen den verschiedenen Glaubensgemeinschaften. Die gelegentlichen Familienfehden, die sich an so weltbewegenden Fragen wie der entzündeten, welcher Apfelbaum die schönsten Früchte trug, welche Rosenhecke am kunstvollsten geschnitten war oder wessen Ferkel die rosigste Haut hatte, wurden in stillschweigendem Einvernehmen beigelegt. Der Frühling war die Zeit der Versöhnung, der Hochzeiten und ausgelassenen Feiern.
    Und doch gab es an diesem herrlichen Tag einen Mann, der das fröhliche Treiben auf den Straßen mit sorgenvoller Miene durch das Fenster seines Tempels betrachtete.
    Djofar, der junge Drachenpriester von Mitheynanda, konnte immer noch nicht so recht glauben, dass seine Stadt vom Obersten Drachen geehrt werden sollte.
    Als er nach dem Tod des alten Drachenpriesters vor wenigen Jahren durch das Orakel zu dessen Nachfolger bestimmt worden war, hatte er sich gehorsam in sein Schicksal gefügt.
    Es war eine große Ehre, zum Drachenpriester berufen zu werden. Das Amt brachte viele Privilegien mit sich – aber auch Einsamkeit. Denn Djofar hatte einen Eid schwören müssen, bis zu seinem Tod enthaltsam zu leben, es sei denn, der Oberste Drache persönlich hob das Zölibat durch sein Erscheinen auf.
    Selbst in seinen kühnsten Träumen hätte Djofar nicht damit zu rechnen gewagt. Runnterum war einfach zu unbedeutend, als dass es jemals unter das Patronat der Drachen gestellt werden könnte. Zurzeit gab es nur drei Reiche in der bekannten Welt, denen diese Gunst zuteil geworden war, und alle anderen, selbst das kleinste eigenständige Fürstentum, waren mindestens zehnmal so groß wie Runnterum, die meisten gar hundertmal größer oder mehr. Nach der letzten Zählung hatte die Bevölkerung des Hochgebirgstales knapp zwanzigtausend Einwohner betragen, die Alten Geschöpfe und Besucher aus anderen Länder mitgerechnet.
    Und doch war vergangene Nacht der Ruf an ihn ergangen. So laut und klar, dass er nicht länger zweifeln durfte. Gebieterisch und doch freundlich. Seither schufteten er und seine beiden Gehilfen unermüdlich, um das Mahl zuzubereiten, das der Drache bestellt hatte.
    Ein Lamm, eine Milchziege, ein Ferkel, fünf Truthähne und Gänse und zehn fette Karpfen mussten geschlachtet werden. Elrat, der jüngste seiner beiden Gehilfen, war gerade dabei, zwölf Laib Brot zu backen, ein jedes sechs Pfund schwer, während Corrales das Frühlingsobst aus dem Garten des Drachentempels pflückte, wusch und in geflochtene Weidenkörbe packte.
    Alles musste heimlich geschehen, denn niemand sonst durfte von der Ankunft des Drachen erfahren, bis die drei Eier gelegt worden waren.
    Neben seiner Sorge, einen Fehler zu begehen und

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