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Das Vermächtnis des Rings

Das Vermächtnis des Rings

Titel: Das Vermächtnis des Rings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Bauer
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verschmolz, kurz vor dem Eingang der Schlucht, in die sich der Silberfluss über mehrere Kaskaden tosend ergoss. Und als der silberne Lichtbogen hinter Djofar über dem gemeißelten Drachenbild auf der Stirnwand der Tempelhalle in die Höhe wuchs, hielt er den Widerschein im ersten Moment für das Licht, das durch die geöffnete Tür des Wirtschaftsraums in das Allerheiligste fiel.
    Doch dann klang die körperlose Stimme gebieterisch in seinem Kopf auf, und er wirbelte herum.
    Komm zu mir, mein Freund. Das Tor ist geöffnet.
    Djofar schluckte mühsam. Generationen von Drachenpriestern hatten gehorsam ihre Pflicht erfüllt und waren als alte Männer gestorben, ohne diesen Augenblick, auf den sie alle gehofft hatten, jemals erleben zu dürfen.
    Fürchte dich nicht, mein Freund. Tritt durch das Tor.
    Wie von einem fremden Willen gelenkt, setzte Djofar unsicher einen Fuß vor den anderen. Seine Hände zitterten, und sein Atem ging plötzlich schwer, als sei er stundenlang gerannt.
    Auf der Stirnwand der Tempelhalle, wo sonst das von den Zwergen aus dem Granit gemeißelte Abbild des Drachen geprangt hatte, gähnte jetzt ein schwarzes Loch, um das der magische Lichtbogen wie ein Nebel auf feinem Kristallstaub flirrte.
    Der junge Drachenpriester atmete tief ein, schloss die Augen und trat mit hämmerndem Herzen durch das finstere Tor.
     
     
    »Sei gegrüßt, mein Freund«, sagte der Drache mit volltönender Stimme. »Wie geht es dir?«
    Djofar fiel vor ihm auf die Knie und senkte den Kopf, bis seine Stirn beinahe den Felsboden berührte. Es war sowohl eine demütige Geste der Ehrerbietung, als auch ein automatischer Reflex, denn seine Knie zitterten so sehr, dass er ansonsten wahrscheinlich gestürzt wäre.
    »Ich… äh… ich…«, stotterte er hilflos. Er wusste nicht, was er erwartet hatte, bestimmt aber nicht diese Frage. »Es geht… mir gut, Majestät«, brachte er schließlich krächzend hervor.
    »Das ist schön«, erwiderte der Drache freundlich und sah sich um. Seine klauenbesetzten Pfoten kratzten über den nackten Felsboden der Höhle. »Hmm, ein bisschen eng hier, aber das muss wohl reichen. Hast du alles vorbereitet, wie ich es dir aufgetragen habe?«
    »Selbstverständlich, Herr«, beeilte sich Djofar zu versichern. »Ich werde sofort…« Seine Stimme versagte.
    »Zuerst brauche ich ein paar Bündel Stroh«, erklärte der Drache. »Nicht, dass ich sonderlich penibel wäre, aber die Eier sollten lieber weich gebettet werden, nicht wahr?«
    Djofar nickte eifrig, den Blick immer noch unterwürfig auf den Höhlenboden gerichtet. Es erschien ihm unvorstellbar, dass sich ein so mächtiges Geschöpf wie ein gewöhnliches Tier mit einem Lager aus Stroh begnügen sollte.
    Der Drache schnaubte. »Sehe ich so schrecklich aus, dass du es vorziehst, den Boden anzustarren?«, fragte er mit einer Spur von Ungeduld.
    »Nein, natürlich nicht, Herr«, beteuerte der junge Mann entsetzt und zwang sich, den Kopf zu heben.
    Die Höhle maß ungefähr sieben Schritte in der Breite, zwanzig in der Tiefe und war im Eingangsbereich so hoch wie drei große Männer. Zur Rückseite hin fiel sie gleichmäßig ab. Obwohl sie eigentlich stockfinster hätte sein müssen, wurde sie von einem sanft schimmernden Licht erfüllt, das aus dem Fels selbst zu sickern schien.
    Der Drache hatte es sich auf dem kahlen Höhlenboden bequem gemacht und die ledrigen Schwingen gefaltet. Sein gezackter Rückenkamm ragte etwa mannshoch auf. Der dreifach gespaltene Schwanz, der fast bis zum Ende der Höhle reichte, bewegte sich träge wie der einer Katze. Sein mächtiges Haupt pendelte dicht vor Djofar gemächlich hin und her. Der Drache sah ihn mit faustgroßen Augen an, die wie Diamanten funkelten, in denen sich das Licht in allen Farben brach. Die geschuppte Haut war pechschwarz, und doch schillerte sie manchmal metallisch grün, blau oder rot, wie die polierten Rüstungen der Palastwachen, wenn die Sonnenstrahlen in einem bestimmten Winkel auf sie fielen.
    Djofar kannte unzählige Darstellungen der Drachen, aber keine wurde diesem herrlichen Geschöpf gerecht. Er hätte nicht sagen können, was es war, das diesen Drachen von seinen Abbildern unterschied. Die Augen, Nüstern und Hörner, die eher Höcker waren, sahen so aus wie auf den Bildern und Reliefs, ebenso die Vorderpfoten mit den langen Klauen, die beinahe wie die Finger eines Menschen anmuteten, und doch wurde Djofar von dem Anblick des Drachens beinahe überwältigt.
    Lediglich was die Größe

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