Das Vermächtnis des Shalom Shepher - Roman
roten französischen Ziegeln selbst. Unter dem Küchenfußboden gab es eine Regenwasserzisterne, und ein Zimmer hatte ein Schiebedach, damit mein Großvater zum Laubhüttenfest unter dem Sternenhimmel schlafen konnte. Es war die größte Laubhütte in Kiriat Shoshan. Mein Vater pflanzte an einer Seite des Hauses eine Reihe Zypressen, und später säte sich vorne ein Pfefferbaum selbst aus und warf seinen netzartigen Schatten auf die Veranda.
Das Haus war eine Steinkiste, im Sommer kühl und im Winter kalt. Es gab darin düstere, hohe Schlafzimmer und ein Bad mit kaltem Steinfußboden. Es gab ein schwarz-weiß gefliestes Wohnzimmer mit einem großen Eichentisch, der am Shabbat und an Feiertagen benutzt wurde, mit einem Schaukelstuhl und Sofas mit Kissen darauf, mit Familienfotos und mehreren bunten Bildern von tropischen und Pariser Szenen. Von hier aus führte eine Terrassentür auf die Veranda, deren Wände ein unbekannter Künstler mit Fluss und Hügel, Tal und Zypressenhain bemalt hatte.
Das Viertel Kiriat Shoshan lag ursprünglich außerhalb Jerusalems.
Eine halbe Meile felsigen Grunds trennte es von der Stadt. Mein Großvater war einer seiner Gründer. Zunächst hieß es Kiriat Haropheh oder Doktor-Viertel, zu Ehren eines betuchten Wohltäters, der selbst jedoch nie hier wohnte. Seine halbfertige Villa war von Dornengestrüpp und gammelndem Bauholz umringt und wurde im Volksmund jahrelang »Das Haus des Doktors« genannt. Der Name Kiriat Shoshan bedeutet Lilienviertel oder Lilienstadt oder Rosenland, aber soweit ich weiß, hat es hier nie Rosen gegeben. Es war eine Gegend mit kargem Gestrüpp und vereinzelten Wacholderbüschen, in der die Fellachen ihre Schafe weideten. Vielleicht haben die Siedler den Namen in der Erwartung von Gärten gewählt.
Mein Großvater lieh sich Geld, um das Haus in Kiriat Shoshan bauen zu können. Er nahm ein Darlehen für das Land auf und ein Darlehen für die französischen Dachziegel. Später nahm er Kredite für weitere Ausbauarbeiten auf. Er lieh sich Geld, um seine Töchter verheiraten und seine Söhne ins Ausland schicken zu können.
Mein Großvater arbeitete schwer und sorgte sich sehr. Er war in die Tage eingespannt, wie die Tage in die Sonne eingespannt sind, das Joch des unvollendeten Werks lastete schwer auf seinen Schultern. Ehe er sich’s versah, hatte er, so schien ihm, mehr Geld geliehen, als er in einem Leben zurückzahlen konnte, und nachts lag er, statt zu schlafen, wach und wälzte unmögliche Zahlen im Kopf.
Mehr als zwanzig Jahre lang lebte er so. Wie ein Mann mit zusammengebissenen Zähnen. Wie ein Mann mit einem Berg auf dem Rücken. Und dann verlor mein Großvater eines Tages die Nerven. Er wachte eines Morgens auf und wollte nichts mehr damit zu tun haben.
Er besprach die Sache nicht mit seiner Familie. Er teilte seiner Frau seine Absicht nicht mit. Er traf sich mit einem
Anwalt namens Rosenblatt. Rosenblatt fand einen Käufer, verkaufte Haus und Grundstück und bezahlte alle Schulden. Kurz darauf kam eine galoppierende Inflation über das Gelobte Land: Der Wert der Kredite fiel, der Wert des Grundbesitzes stieg, und mein Großvater hätte, wenn er gewartet hätte, plötzlich mit einer halben Million dagestanden.
Aber er hatte einen vernünftigen Preis erzielt. Nachdem alle Schulden bezahlt waren, war sogar noch etwas übrig. Mit dem Geld tat er Folgendes: Er kaufte entgegen Rosenblatts Rat ein halbes Dutzend Grundstücke, alle nicht größer als ein Tennisplatz. Drei waren qua Gesetz nur landwirtschaftlich nutzbar. Auf einem war eine Straßenbaumaßnahme vorgesehen. Ein anderes verschwand in einem Wiederaufforstungsprojekt. Nicht ein einziges hatte den geringsten wirtschaftlichen Wert. In der Familie wurden sie die Kolonien genannt, und sie bildeten den Hauptteil des Erbes, das mein Großvater seinen Kindern hinterließ.
»Hätte er doch etwas in Beit Hakerem gekauft«, jammerte Onkel Saul, »das wäre jetzt Millionen wert.« Stattdessen hatte mein Großvater sich bemüßigt gefühlt, kleine Parzellen des Landes Israel zu kaufen, mit denen er Mitleid hatte. Zwanzig Jahre lang standen sechs symbolische Gläser mit Erde auf der Fensterbank in der großen Laubhütte, bis sie schließlich auf den Dachboden verbannt wurden: sechs Hände voll Erde des Landes Israel, ein sicherer Eigentumsnachweis.
Der einstige Besitzer war jetzt Mieter des Hauses in Kiriat Shoshan. Meine Großeltern wohnten für eine symbolische Miete weiterhin dort. Dieses Privileg
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