Das Vermächtnis von Atlantis ("Alantis"-Trilogie) (German Edition)
Wohnungstür hinter sich zugezogen und die Einkaufstüten im Flur abgestellt, als das Telefon klingelte.
Eine Nachricht von Sheila , schoss es ihr durch den Kopf. Sie wünschte sich so sehr ein Lebenszeichen von ihrer Tochter. In den vergangenen Nächten hatte sie kaum geschlafen vor lauter Sorgen.
»Hermes«, meldete sie sich atemlos.
»Herzlichen Glückwunsch«, sagte eine fremde Männerstimme. »Sie haben gewonnen!«
Sabrina war enttäuscht. Am liebsten hätte sie gleich wieder aufgelegt. Ein angeblicher Gewinn! Das war bestimmt nur so ein lästiger Werbeanruf von irgendeinem Callcenter. Es wurde immer wieder davor gewarnt, dass man auf so etwas nicht reinfallen sollte.
»Ich habe bei keinem Gewinnspiel mitgemacht«, fauchte Sabrina unfreundlich ins Telefon. »Außerdem habe ich jetzt keine Zeit, ich muss kochen.«
»Bitte warten Sie einen Moment«, sagte der Fremde. »Ich habe die Postkarte gerade vor mir liegen. Ja – Sie haben sie nicht geschrieben, aber vielleicht Ihr Mann? Oder Ihr Sohn? Hier steht Gavino … Gibt es bei Ihnen jemanden, der so heißt?«
Sabrina war verwirrt. »Ja, aber …«
»Ja, dann freuen Sie sich doch, Frau Hermes«, fiel ihr die Männerstimme ins Wort. »Sie haben eine Kreuzfahrt gewonnen. Für zwei Personen, vierzehn Tage lang. Auf der NEW CALYPSO, das ist eines der größten und modernsten Kreuzfahrtschiffe der Welt. Die Reise beginnt in Genua und führt durchs Mittelmeer, Rom, Casablanca und vieles andere … Vollpension und Stadtbesichtigungen inbegriffen, alle Getränke frei, selbst die Cocktails … Na, haben Sie noch immer keine Zeit?«
Sabrina war jetzt völlig überrumpelt. »Ich muss mich erst mal setzen.« Sie zog eine kleine Fußbank heran und ließ sich darauffallen.
Vielleicht war der Gewinn doch echt. Sie hatte Gavino schon oft dabei beobachtet, wie er in Zeitschriften oder Zeitungen blätterte und Kreuzworträtsel löste. Manchmal sagte er es ihr, wenn er irgendwo mitgemacht hatte, aber gelegentlich vergaß er es auch.
Himmel, eine Kreuzfahrt! Und ganz umsonst! Gavino wäre bestimmt begeistert, endlich würde er wieder das Meer sehen. Und auch ihr würde der Urlaub guttun. Sich an Bord verwöhnen lassen, Sonne und Meer genießen und interessante Städte sehen …
»Wann soll die Reise denn sein?«, fragte Sabrina zaghaft.
»Oh, da können Sie sich einen Termin aussuchen«, sagte die Männerstimme. »Die NEW CALYPSO fährt die Tour alle vierzehn Tage. Sie können schon nächsten Mittwoch in Genua starten, der Flug wird selbstverständlich auch übernommen.«
Nächste Woche schon … Sabrina holte tief Luft. »Ich weiß nicht, ob ich so schnell Urlaub bekomme.«
»Oft geht vieles, was man sich nicht vorstellen kann«, war der Kommentar.
Anja könnte mich im Schuhgeschäft vertreten, schoss es Sabrina durch den Kopf. Ich habe sowieso noch eine Menge Überstunden. Ein Urlaub würde Gavino und mir sicherlich guttun …
Sie stritten sich oft in der letzten Zeit. Meistens ging es um Sheila. Sabrina wollte die Polizei einschalten, aber Gavino war dagegen.
»Sie hat dir doch geschrieben, dass sie mit Mario zusammen ist«, hatte er gesagt. »Wo soll die Polizei denn suchen? In Talana? Willst du den Beamten sagen, dass deine Tochter ein Delfin ist? Mach dich nicht lächerlich. Sheila wird zurückkommen, wenn es an der Zeit ist.«
»Ich verstehe nicht, wie du so ruhig sein kannst«, entgegnete Sabrina. »Langsam werde ich verrückt. Und ich habe diese Lügengeschichten so satt.«
Sie brach in Tränen aus. Der Schule und Sheilas Lehrern hatte sie eine herzzerreißende Geschichte aufgetischt, um Sheilas Verschwinden logisch zu erklären. Sie hatte behauptet, Sheilas Großmutter sei plötzlich ins Krankenhaus gekommen und Sheila sei über die Nachricht so erschrocken, dass sie Hals über Kopf von Amrum aufgebrochen sei, ohne an ihr Gepäck zu denken. Inzwischen sei die Großmutter, die im Allgäu gelebt hatte, leider gestorben. Weil Sheila so sehr trauere, habe der Arzt den Eltern geraten, sie noch ein paar Tage im Allgäu zu lassen.
Sabrina fühlte sich sehr unwohl bei dieser Schwindelei. Gavino hatte versucht, sie zu beruhigen. »Das ist die beste Lösung, Sabrina. In der Schule kannst du ja unmöglich die Wahrheit sagen.«
»Und wenn Sheila nie zurückkommt? Wenn ihr etwas zugestoßen ist?«
»Mach dir keine Sorgen. Sheila wird z urückkommen – irgendwann.«
Seine Ruhe brachte sie jedes Mal auf die Palme. Wie konnte er nur so gelassen bleiben?
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